14.09.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Sächsisches Landesarbeitsgericht.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der ordentlichen betriebsbedingten Kündigung der Beklagten vom 25. März 2011 zum 30. September 2011 sowie über die Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits.
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Der 1978 geborene Kläger war seit dem 01. September 1995 zunächst als Auszubildender und seit dem 01.September 1998 als vollzeitbeschäftigter Krankenpfleger zu einem zuletzt bezogenen Bruttoarbeitsentgelt von 2.541,56 € beschäftigt. Der Kläger wird auf der Intensivstation eingesetzt. Am 11. Februar 2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er mit einer betriebsbedingten Kündigung zum Ende des Quartals rechnen müsse. Am 25. Februar 2011 fand ein weiteres Personalgespräch statt, in dem der Kläger die Beklagte darüber informierte, dass er zum 01. April 2011 die Möglichkeit habe, ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen und er deshalb um eine Auflösung seines Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt bitte. Nachdem die Beklagte dies abgelehnt hatte, musste der Kläger das Angebot des potentiell neuen Arbeitgebers ablehnen. Die streitgegenständliche Kündigung warf die Beklagte am 31. März 2011 in den Hausbriefkasten des Klägers.
(…)
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die streitgegenständliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hat, und die Beklagte zur einstweiligen Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt.
(…)
Die Kündigung ist sowohl nach § 1 KSchG als auch nach § 242 BGB unwirksam. Die Kündigung ist nach § 1 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 KSchG rechtsunwirksam, denn sie ist sozial ungerechtfertigt. Die Kündigung gilt nicht bereits nach den §§ 7, 4 Satz 1 KSchG als wirksam, denn der Kläger hat rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben. Selbst wenn unterstellt wird, dass die Kündigung dem Kläger am 31. März 2011 zugegangen ist, so ist die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage rechtzeitig innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG beim Arbeitsgericht Dresden, nämlich am 21. April 2011 eingegangen.
(…)
Die Kündigung ist auch wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) unwirksam.
Der § 242 BGB kommt neben § 1 KSchG zur Anwendung, wenn die Kündigung aus Gründen, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind, Treu und Glauben verletzt. Die typischen Tatbestände der treuwidrigen Kündigung sind insbesondere widersprüchliches Verhalten oder Ausspruch der Kündigung in verletzender Form oder zur Unzeit. § 242 BGB erfasst danach insbesondere Fälle, in denen ein widersprüchliches Verhalten des kündigenden Arbeitgebers (venire contra factum proprium) vorliegt. Ein solches widersprüchliches Verhalten kann rechtsmissbräuchlich und somit unzulässig sein, wenn der Kündigende sich damit in unvereinbaren Gegensatz zu seinem früheren Verhalten setzt. Das widersprüchliche Verhalten ist rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen.
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze stellt sich die streitgegenständliche Kündigung der Beklagten vom 25. März 2011 als eine für den Kläger nicht mehr hinnehmbare rechtsmissbräuchliche Handlung dar. Sie ist (auch) deshalb unwirksam.
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Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 24.05.2012, AZ 1 Sa 661/11 (in Auszügen)
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