23.06.2014 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union.
Die Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung sieht vor, dass jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen hat.
Ein Verkaufsberater ist seit 2010 bei British Gas im Innendienst in der Energiesparte tätig. Seine Aufgabe ist es, Geschäftskunden zum Erwerb der Energieprodukte seines Arbeitgebers zu bewegen. Sein Arbeitsentgelt setzt sich aus zwei Hauptkomponenten zusammen: einem Grundgehalt (von zur maßgeblichen Zeit monatlich 1222,50 GBP) und einer Provision. Die ebenfalls monatlich ausgezahlte Provision bemisst sich nach den tatsächlich von vom Verkaufsberater erzielten Verkäufen. Sie wird nicht zum Zeitpunkt der Erbringung der Arbeitsleistung ausgezahlt, sondern mehrere Wochen oder Monate nach Abschluss des Kaufvertrags zwischen British Gas und dem Kunden.
Der Berater befand sich von 19. Dezember 2011 bis 3. Januar 2012 in bezahltem Jahresurlaub. Im Dezember setzte sich sein Arbeitsentgelt aus dem Grundgehalt von 1222,50 GBP und einer Provision in Höhe von 2350,31 GBP zusammen, die er im Lauf der vorhergehenden Wochen verdient hatte. Im Jahr 2011 bezog der Verkaufsberater eine monatliche Provision in Höhe von durchschnittlich 1912,67 GBP.
Da er während seines Jahresurlaubs keine Arbeit verrichtete, konnte er in diesem Zeitraum keine neuen Verkäufe tätigen und infolgedessen in diesem Zeitraum keine Provision verdienen. Dieser Umstand wirkte sich nachteilig auf sein Gehalt in den auf seinen Jahresurlaub folgenden Monaten aus, und er beschloss daher, beim Employment Tribunal (Arbeitsgericht im Vereinigten Königreich) Klage auf den Teil des Entgelts für bezahlten Jahresurlaub zu erheben, der ihm seines Erachtens für die Zeit vom 19. Dezember 2011 bis zum 3. Januar 2012 zustand.
Das britische Gericht befragt den Gerichtshof, ob unter diesen Umständen die Provision, die ein Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs verdient hätte, bei der Berechnung des Entgelts für den Jahresurlaub zu berücksichtigen ist, und wie gegebenenfalls der dem Arbeitnehmer geschuldete Betrag zu berechnen ist.
In seinem Urteil weist der Gerichtshof darauf hin, dass ein Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs sein gewöhnliches Entgelt erhalten muss. Durch die Zahlung des Urlaubsentgelts soll der Arbeitnehmer während dieser Ruhezeit in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist.
Nach Ansicht von British Gas ist dieses Ziel erreicht worden, da der Verkaufsberater während seines bezahlten Jahresurlaubs ein Entgelt erhalten habe, das nicht nur aus seinem Grundgehalt, sondern auch aus der Provision aus den Verkäufen bestanden habe, die er in den vorhergehenden Wochen getätigt habe.
Der Gerichtshof weist diese Argumentation zurück. Seines Erachtens könnte der Berater trotz des Entgelts, das er während seines Jahresurlaubs erhält, aufgrund des finanziellen Nachteils, der zwar hinausgeschoben ist, den er jedoch in der auf den Jahresurlaub folgenden Zeit tatsächlich erleidet, möglicherweise davon absehen, sein Recht auf Jahresurlaub auszuüben. Wie nämlich British Gas eingeräumt hat, verdient der Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs keine Provision. Daher erhält er in der auf seinen Jahresurlaub folgenden Zeit nur ein auf sein Grundgehalt reduziertes Arbeitsentgelt.
Dieser finanzielle Nachteil kann sich dahin auswirken, dass davon abgesehen wird, den Urlaub tatsächlich zu nehmen, was in einer Situation wie der des Arbeitnehmers, in der die Provision mehr als 60 % des Arbeitsentgelts ausmacht, umso wahrscheinlicher ist. Der Gerichtshof stellt daher fest, dass eine solche Verringerung des hinsichtlich des bezahlten Jahresurlaubs geschuldeten Arbeitsentgelts dazu führen kann, dass der Arbeitnehmer davon absieht, sein Recht auf Urlaub tatsächlich auszuüben, was dem mit der Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung verfolgten Ziel zuwiderläuft.
Zu der Methode, nach der die dem Arbeitnehmer hinsichtlich seines Jahresurlaubs geschuldete Provision berechnet wird, erinnert der Gerichtshof daran, dass das hinsichtlich des Urlaubs gezahlte Arbeitsentgelt grundsätzlich so bemessen sein muss, dass es mit dem gewöhnlichen Entgelt des Arbeitnehmers übereinstimmt.
Setzt sich das vom Arbeitnehmer bezogene Entgelt aus mehreren Bestandteilen zusammen, erfordert die Bestimmung des gewöhnlichen Entgelts, auf das der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs Anspruch hat, eine spezifische Prüfung. Bezüglich dieser Prüfung hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass jede Unannehmlichkeit, die untrennbar mit der Erfüllung der dem Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben verbunden ist und durch einen in die Berechnung seines Gesamtentgelts eingehenden Geldbetrag abgegolten wird, zwingend Teil des Betrags sein muss, auf den der Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs Anspruch hat.
Da die vom Verkaufsberater bezogene Provision unmittelbar mit seiner Tätigkeit im Unternehmen verbunden ist, besteht zwischen der monatlichen Provision, die der Berater erhält, und der Erfüllung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben ein innerer Zusammenhang. Folglich ist eine solche Provision bei der Berechnung des Gesamtentgelts zu berücksichtigen, auf das hinsichtlich des Jahresurlaubs Anspruch besteht.
Vor diesem Hintergrund ist es Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob mit den Methoden zur Berechnung der einem Arbeitnehmer wie dem Verkaufsberaters hinsichtlich seines Jahresurlaubs geschuldeten Provision das mit der Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung verfolgte Ziel erreicht wird, wenn dabei auf einen Mittelwert aus einem nach dem nationalen Recht als repräsentativ geltenden Referenzzeitraum abgestellt wird.
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