22.04.2024 — Rolf Becker. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Das Urteil des LG Hamburg (LG Hamburg, Urt. vom 22. Februar 2024, Az. 327 O 250/22) ist noch frisch und schon frohlocken einige, damit könne man ab sofort auf Gastzugänge verzichten. Der Hintergrund: Bei dem Verzicht auf einen Gastzugang wird der Kunde praktisch gezwungen, ein sog. „Kundenkonto“ anzulegen, auf das er dann mit einem Passwort Zugang hat. Die Praxis zeigt, dass die Bindungswirkung bei Kundenkonten höher ist und regelmäßig ist der Umsatz bei einem Kunden mit Kundenkonto höher.
Warum machen das nicht alle? Bei dieser Frage tritt der Datenschutz auf den Plan. Der stellt gewisse Anforderungen an die Freiwilligkeit von Einwilligungen. Wird jetzt die Einwilligung zur Eröffnung eines Kundenkontos dem Kunden „abgetrotzt“, wird er also praktisch bei einem Kaufabschluss dazu gezwungen, dann handelt es sich um eine sogenannte Kopplungssituation, die die Freiwilligkeit der Einwilligung entfallen lässt.
Die Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder in unserer Republik arbeiten zusammen und halten Konferenzen ab. Im Rahmen solcher Konferenzen werden regelmäßig Papiere (DSK-Hinweise) veröffentlicht, die den Standpunkt der Datenschutzbehörden zu wichtigen Praxisfragen des Datenschutzes widerspiegeln sollen. Daher gibt es auch Hinweise der DSK zum datenschutzkonformen Online-Handel mittels Gastzugang mit dem Stand vom 24. März 2022: Hier zu finden.
Unter Berufung auf den Grundsatz der Datenminimierung und wegen der Zweifel an der Freiwilligkeit der Einwilligung verlangen die Behörden nur solche Daten zu erheben, die zwingend für die Vertragsdurchführung notwendig sind. Dazu gehört jedoch kein Kundenkonto.
„Bei einer erstmaligen Bestellung kann der Verantwortliche nicht per se unterstellen, dass er Daten von Kund*innen für mögliche, aber ungewisse zukünftige Geschäfte auf Vorrat vorhalten darf. Für die Einrichtung eines fortlaufenden Kund*innenkontos ist eine entsprechende bewusste Willenserklärung der Kund*innen erforderlich. Für Kund*innen, die keine dauerhafte Geschäftsbeziehung eingehen wollen oder eine Verarbeitung von nicht zur Geschäftsabwicklung benötigten Daten ablehnen, ist daher regelmäßig ein Gastzugang zu ermöglichen. Ein solcher Zugang verzichtet auf Registrierungs- bzw. Zugangsdaten (z.B. Benutzername/Passwort) für eine erneute Nutzung. Über diesen Zugang dürfen nur die zur Durchführung des Vertrages und zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten erforderlichen personenbezogenen Daten und Informationen der Kund*innen erfasst werden. Nach Vertragserfüllung nicht mehr benötigte Daten müssen gemäß Art. 17 Abs. 1 Buchstabe a) DS-GVO unverzüglich gelöscht werden. Werden die Daten im Übrigen nur noch im Rahmen spezialgesetzlich geregelter Aufbewahrungsplichten verarbeitet, z.B. aus dem Handels- oder Steuerrecht, sind technisch-organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um diese Daten von den Daten im operativen Zugriff zu trennen (Datensperrung). Ein Zugriff der Kund*innen auf die Daten oder das Hinzuspeichern von weiteren Daten durch die Verantwortlichen sind bei einem Gastzugang nicht vorgesehen.“
In der oben zitierten Entscheidung des LG Hamburg verlangte ein Verbraucherschutzverband von einem Versandhandelsunternehmen die Bereitstellung eines Gastzugangs, denn eine Bestellung wird nur nach entsprechender Einrichtung eines Kundenkontos möglich. Die Besonderheit hier bestand allerdings darin, dass es sich bei der Internetseite im Ergebnis um einen Marktplatz handelte, auf dem auch tausende andere Händler ihre Waren anbieten konnten. Der Marktplatz vermittelte die Verkäufe und Kunden konnten auch Rechte, wie z.B. Garantieansprüche oder Gewährleistungsverlangen, geltend machen. Die Richter des LG Hamburg sahen daher ein gewisses Bedürfnis darin, den Kunden die Registrierung abzuverlangen und wiesen die Klage der Verbraucherschützer ab. Ein Gaszugang bietet aus Sicht der Richter kein gleichwertiges Mittel, um die komplexen Leistungen und Kommunikationen aller Beteiligter auf dem Marktplatz abzubilden.
Ich halte das Urteil nicht ohne Weiteres auf normale Online-Shops übertragbar. Dort liegt in aller Regel nicht die rechtfertigend wirkende Situation der komplexeren Kommunikation und Abwicklung eines Vertragsverhältnisses vor. Zwar mag es im Einzelfall Gestaltungen geben, die eine ähnlich rechtfertigende Wirkung entfalten können, etwa bei der Einbindung Dritter in die Abwicklung des Vertrages, aber auch in diesen Situationen ist sorgfältig zu prüfen, ob sich nicht über einfache Datenweitergaben die Zwecke erreichen lassen.
Händler sind gut beraten, wenn Sie einen prüfenden Blick auf ihre Gestaltungen werfen. Wurde irgendwann einmal auf einen Gastzugang verzichtet? Dann ist die Gefahr jetzt gestiegen, dass z.B. Verbraucherschutzverbände hiergegen mit Unterlassungsforderungen via Abmahnung vorgehen. Denn das Urteil zeigt auch, dass ein solcher Anspruch durchaus denkbar ist.
Bild: Anna Shvets (Pexels, Pexels Lizenz)
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