21.03.2022 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Kaufmännische Krankenkasse – KKH.
Das Leben wird massiv aus dem Lot gebracht. Das zeigen Daten der KKH Kaufmännische Krankenkasse. So nahmen behandlungsbedürftige Angsterkrankungen von 2010 auf 2020 um rund 39 Prozent zu, bei Männern sogar um 58 Prozent. Auffallend hoch ist der Anstieg bei jungen Menschen: bei den 18- bis 24-Jährigen um 51 Prozent, bei den 12- bis 17-Jährigen sogar um gut 82 Prozent. Das sind alarmierende Zahlen.
Krankhafte Ängste sind neben Depressionen die häufigsten psychischen Erkrankungen. „Betroffene haben übersteigerte Furcht vor bestimmten Situationen, Personen oder Gegenständen, die für ihre Mitmenschen normal und nicht bedrohlich sind. Ihre Sorgen bestimmen das Denken, Fühlen und Handeln dauerhaft und nehmen ihr Leben in den Klammergriff“, beschreibt Dr. Aileen Könitz, Ärztin und Expertin für psychiatrische Fragen bei der KKH. „Betroffene fühlen sich ohnmächtig und hilflos. Aus Furcht vor Panik und Kontrollverlust meiden sie die Angstauslöser, ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück und vereinsamen.“ Doch die Flucht – sei es durch Unterdrücken der Gefühle oder deren Betäubung mit Alkohol oder Beruhigungstabletten – führt in die Sackgasse. Denn unbegründete Ängste können chronisch werden und zu Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Sucht führen. Probleme mit Partner, Familie, Freunden und im Berufsleben sind vorprogrammiert.
Seit mehr als zwei Jahren bestimmt vor allem ein Thema unser Leben: Corona. Aktuell ist es nur noch ein Randthema. Denn in Europa herrscht Krieg, der seit Tagen unsägliches Leid in der Ukraine verursacht. Wer entwickelt da – auch außerhalb des Krisengebietes – keine Ängste? „Für Menschen mit einer Angsterkrankung können solche Ereignisse wie ein Brandbeschleuniger wirken und ihr eh aus dem Gleichgewicht geratenes Leben zusätzlich psychisch destabilisieren“, so die Expertin. Symptome krankhafter Angst wie Atemnot, Herzrasen, Zittern, Übelkeit, Erbrechen bis hin zu Todesängsten können verstärkt auftreten.
Zu den Ursachen von Angststörungen zählen belastende Ereignisse wie Gewalt, Scheidung oder finanzielle Sorgen, aber auch Stress sowie eine genetische Veranlagung. Auch eine bestehende Erkrankung von Herz oder Lunge oder eine Depression können Auslöser sein. „Bei jungen Menschen befördern Zukunftsängste wie aktuell durch den Krieg in Osteuropa, aber auch den Klimawandel die Entwicklung einer Angsterkrankung, ferner der Konsum sozialer Medien und damit verbundener Risiken wie Cybermobbing und Mediensucht“, erklärt Aileen Könitz. „Über alle Altersgruppen hinweg dürften die Globalisierung und Digitalisierung und der damit verbundene Wandel sozialen Miteinanders sowie existenzielle Risiken Angststörungen forcieren.“
Betroffene gehen häufig wegen der körperlichen Symptome wie Atemnot, Schwindel oder Magen-Darm-Problemen zu ihrem Hausarzt. Häufig verschweigen sie dabei Gefühle wie Ohnmacht, Kontrollverlust und Panik aus Scham und Sorge, als labil und nicht leistungsfähig zu gelten. Daher werden Angsterkrankungen oft spät oder gar nicht erkannt. „Es braucht Mut, sich seine Ängste einzugestehen und darüber zu sprechen“, weiß Könitz. „Doch genau das ist der erste entscheidende Schritt, um seine Erkrankung in den Griff zu bekommen. Denn niemand ist seinen Ängsten hilflos ausgeliefert.“ In der Regel überweist der Hausarzt an einen Psychotherapeuten oder Psychiater. Angsterkrankungen sind heute gut behandelbar – mit psychotherapeutischen Maßnahmen und/oder medikamentös.
Angststörungen sind vielfältig und bei Betroffenen individuell ausgeprägt. Während die KKH bei Phobien von 2010 auf 2020 ein Plus von rund 14 Prozent verzeichnet, nahmen Panikstörungen und generalisierte Angststörungen um gut 46 Prozent zu. Bei Phobien entwickeln Menschen Ängste vor eigentlich ungefährlichen Situationen, Personen oder Gegenständen. In der Folge umgehen sie diese oder flüchten davor. Bei der Agoraphobie beispielsweise versetzen Fahrten mit Bus oder Bahn, der Einkauf im Supermarkt oder größere Menschenansammlungen Patienten in Angst und Schrecken. Bei der sozialen Phobie hingegen haben Betroffene Angst, von anderen kritisiert zu werden und sich zu blamieren. In der Folge fürchten sie sich davor, Menschen zu begegnen, in größerer Runde zu sprechen oder Amtsgänge zu erledigen. Auch die Angst vorm Fliegen, vor engen Räumen, Spritzen oder Blut sind Formen von Phobien. Bei der Panikstörung überkommen Patienten von jetzt auf gleich Panikattacken, ausgelöst durch bestimmte Situationen oder Dinge. Sie können sich bis zu Todesängsten steigern. Bei der generalisierten Angststörung leiden Patienten unter ständigen, unkontrollierbaren Sorgen vor Unglücken wie einem Unfall oder einer schweren Krankheit, die eventuell eintreten könnten.
Bild: Liza Summer (Pexels, Pexels Lizenz)
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