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Einspruchsfrist versäumt, weil Kündigungsschreiben nicht direkt zugestellt wurde

11.05.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz.

Der Schwiegervater der Klägerin hatte das Kündigungsschreiben entgegengenommen und nach Aussage der Klägerin nicht zeitnah an diese weitergeleitet. Dadurch wurde die Frist zum Einspruch überschritten und eine Anfechtung der Kündigung nicht mehr möglich. Die grundsätzliche Frage in diesem Prozess war: Muss ein Kündigungsschreiben nachweislich an den betreffenden Arbeitnehmer übergeben werden und beginnt die Einspruchsfrist erst bei dieser direkten Übergabe?

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung vom 11. Mai 2010 zum 30.09.2010 beendet worden ist.

Die Klägerin war bei der Beklagten, die ständig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, ab dem 10.02.2003 als Filialleiterin der Filiale in M. bei einer Bruttomonatsarbeitsvergütung in Höhe von 2.100, € beschäftigt. Nachdem das Arbeitsverhältnis der Parteien durch eine frühere Kündigung aufgrund der bei der Klägerin bestehenden Schwangerschaft nicht aufgelöst worden ist, erwirkte die Beklagte einen Bescheid der S. vom 04.05.2010, durch den die Kündigung des Arbeitsverhältnisses für zulässig erklärt wurde. Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid erfolglos Widerspruch ein und erhob sodann Klage beim Verwaltungsgericht Mainz (Az.: 1 K 778/10.MZ). Mit am 30. Juli 2010 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz teilte die Beklagte mit, sie habe das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 11.05.2010 - Zustellung am 19.05.2010 durch einen privaten Dienstleister - gekündigt. Dieser Schriftsatz wurde seitens des Verwaltungsgerichts mit Schreiben vom 2. August 2010 an die Klägerin weitergeleitet. Mit am 20. August 2010 beim Arbeitsgericht eingegangener und der Beklagten am 1. September 2010 zugestellter Klage begehrte die Klägerin vor allem den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 30.09.2010 hinaus.

Die Klägerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, ihr sei die Kündigung nicht zugegangen. Weder sie noch ihr Ehemann hätten irgendetwas von der Beklagten entgegen genommen. Den Nachweis der Zustellung habe die Beklagte auch nicht mit Vorlage des Zustellungsbelegs beweisen können. Bei der dort befindlichen Unterschrift handele es sich nicht um die ihres Ehemanns, wie auch anhand eines Unterschriftsvergleichs mit den auf den Personalausweisen befindlichen Unterschriften erkennbar wäre.

Die Beklagte hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, ausweislich des Ablieferungsbeleges des von ihr beauftragen Postdienstleisters sei die Kündigung am 20.05.2010 um 12:29 Uhr einem in der Wohnung der Klägerin befindlichen Herrn A. übergeben worden und damit in den Machtbereich der Klägerin gelangt. Die Klägerin habe sich auch nicht zu ihrem Schwiegervater, der mutmaßlich die Unterschrift geleistet habe, geäußert.

(…)

Die Seitens der Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 11.05.2009 gelte nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam und habe deshalb das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2010 aufgelöst. Die Klägerin habe die maßgebliche Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG mit ihrer erst am 20. August 2010 eingereichten Klage nicht gewahrt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Klägerin die Kündigung der Beklagten am 19. Mai 2010 zugegangen sei. Ein Zugang sei auch anzunehmen, wenn dieser an einen Empfangsboten erfolge und nach regelmäßigem Geschehensablauf eine Weiterleitung an den Empfänger zu erwarten ist. Empfangsboten seien nach der Verkehrsanschauung auch die in der Wohnung des Empfängers lebenden Angehörigen und Haushaltsmitglieder. Auf die tatsächliche Weiterleitung und Kenntnisnahme komme es nicht an.

(…)

Auch ein Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses bestehe nicht. Da die Klägerin Elterngeld beziehe und demgemäß nicht arbeite, trage die von ihr gegebene Begründung, sie benötige das Zwischenzeugnis, um sich bei anderen Arbeitgebern bewerben zu können, nicht.

(…)

Entscheidungsgründe

(…)

Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass der von der Beklagten vorgelegte Zustellungsnachweis zwar keine öffentliche Urkunde ist, ein solcher Beleg aber dann, wenn das ordnungsgemäße Zustellverfahren vom Zusteller eingehalten worden ist, einen Beweis des ersten Anscheins dafür begründet, dass zu dem bescheinigten Zeitpunkt und in der bescheinigten Form eine Zustellung erfolgt ist. Ebenso zutreffend ist, dass eine Zustellung nicht nur durch unmittelbare Übergabe der verkörperten Willenserklärung an den eigentlichen Empfänger erfolgen kann, sondern auch dadurch, dass dies an einen Empfangsboten erfolgt. Empfangsboten kraft Verkehrsanschauung sind dabei auch die in der Wohnung des Empfängers lebenden erwachsenen Haushaltsmitglieder. Der erstinstanzlich vernommene Zeuge S. hat das bei der Zustellung zu wahrende Procedere im Einzelnen geschildert. Er konnte auch ausschließen, dieses bei Zustellungen nicht einzuhalten und hat ausgeschlossen, den Namen des Empfängers (Herr A.) erst nachträglich eingetragen zu haben. Die Klägerin hat ihrerseits keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die zu einer abweichenden Wertung der Zeugenaussage durch die Berufungskammer führen. Einer erneuten Beweisaufnahme bedurfte es daher nicht.

LAG Rheinland-Pfalz vom 26.08.2011, 9 Sa 226/11

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