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Corona: Weniger Erwerbstätige fürchten um Job, aber hohes Belastungsgefühl, nur noch 31% zufrieden mit Krisenmanagement

21.02.2022  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Hans Böckler Stiftung.

Zwei Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland erreicht die Unzufriedenheit unter Erwerbspersonen neue Höchststände – obwohl für eine große Mehrheit die Stabilisierungspolitik auf dem Arbeitsmarkt und bei den Einkommen offensichtlich weiter recht gut wirkt.

Während Sorgen um den Job und die finanzielle Zukunft leicht zurückgehen, sind vor allem bei Eltern und insbesondere bei Müttern Belastungsgefühle, die Sorge um den sozialen Zusammenhalt und die Kritik am Umgang der Politik mit der Krise spürbar angestiegen. Insgesamt zeigen sich nur noch 31 Prozent der Erwerbstätigen und Arbeitsuchenden in Deutschland zufrieden mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung – nach 40 Prozent im Juli 2021 und bis zu 67 Prozent kurz nach Ausbruch der Pandemie. Das ergibt der neueste Durchgang der repräsentativen Erwerbspersonenbefragung, die die Hans-Böckler-Stiftung seit Frühjahr 2020 durchführt. Angesichts der Omikron-Welle hat die Sorge, sich mit Corona zu infizieren, in der Befragung vom Januar 2022 wieder zugenommen. Doch mit gewachsener Unzufriedenheit und vielen vergleichsweise „milden“ Krankheitsverläufen einher zu gehen scheint auch ein neues Phänomen von „Impfmüdigkeit“: Geimpfte Befragte, die in den letzten Monaten ihr Vertrauen ins Krisenmanagement der Politik verloren haben, haben sich beispielsweise signifikant seltener auch „boostern“ lassen.

„Es gelingt in Deutschland weiterhin vergleichsweise gut, Erwerbsarbeit in der Corona-Krise abzusichern. Dementsprechend ist die eigene finanzielle Belastung aus Sicht vieler Befragter weiterhin moderat – allerdings mit der wichtigen Ausnahme von Menschen mit Niedrigeinkommen, deren finanzielle Belastungswerte so hoch sind wie noch zu keinem anderen Zeitpunkt in der Pandemie. Was dagegen für viele weiterhin nicht gut funktioniert, ist die Unterstützung bei der Sorgearbeit. Menschen mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen sind während der Pandemie mit deutlich höheren Belastungen konfrontiert, doch das stand und steht weitaus weniger im Fokus der Corona-Politik. Eltern, vor allem Mütter, fühlen sich alleingelassen und zunehmend ausgelaugt. Das führt zu einem massiven Vertrauensverlust“, sagt Prof. Dr. Bettina Kohlrausch. Die wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung fordert deshalb auch nach Abklingen der Pandemie verstärkte familien- und bildungspolitische Anstrengungen. „Die coronabedingten Rückstände und Lücken, die etwa bei vielen Schülerinnen und Schülern entstanden sind, werden nicht von selbst verschwinden, wenn die akute Pandemie ausläuft. Dagegen etwas zu tun, bleibt eine Aufgabe über Jahre.“

Kohlrausch, die auch Soziologieprofessorin an der Universität Paderborn ist, und WSI-Forscher Dr. Andreas Hövermann stützen ihre neue Analyse auf die gerade abgeschlossene Welle der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung. Dafür wurden von Anfang bis Mitte Januar 6419 Erwerbstätige und Arbeitsuchende von Kantar Deutschland online zu ihrer Lebenssituation während der Pandemie befragt. Dieselben Personen waren bereits im April, im Juni und im November 2020 sowie im Januar und im Juli 2021 interviewt worden, allerdings teilweise nicht mit dem vollständigen Fragebogen. Die Befragten bilden die Erwerbspersonen in Deutschland im Hinblick auf die Merkmale Geschlecht, Alter, Bildung und Bundesland repräsentativ ab. Durch die Panelstruktur lassen sich Veränderungen im Zeitverlauf herausarbeiten.

Zentrale Ergebnisse der neuen Befragungswelle:

Zufriedenheit sinkt in allen Schichten, bei Menschen mit Niedrigeinkommen ist sie besonders gering

Im Durchschnitt aller Befragten ist die Zufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung auf dem niedrigsten Stand, der im Studienverlauf bisher gemessen wurde. Der Rückgang fällt dabei in verschiedenen Einkommensschichten synchron aus, allerdings ausgehend von unterschiedlichen Niveaus, so dass die Unzufriedenheit unter Erwerbspersonen mit den niedrigsten Haushaltseinkommen am höchsten ist. Auf den ersten Blick erstaunlich: Unter Befragten, die während der Krise nicht an Einkommen eingebüßt haben, ist der Rückgang gegenüber der vorigen Befragungswelle besonders ausgeprägt. Allerdings äußerten Befragte mit Einbußen schon im vergangenen Jahr ein geringeres Vertrauen in die Politik.

Kohlrausch und Hövermann beobachten in den Daten Muster, die verschiedene Erklärungen für den Verlust an Vertrauen in die Politik nahelegen. So konstatieren sie, dass sich Befragte, deren Zufriedenheit mit dem Krisenmanagement im Zeitverlauf gesunken ist, deutlich häufiger als andere um den sozialen Zusammenhalt und eine zunehmende soziale Ungleichheit sorgen – beide Sorgen haben im Januar gegenüber früheren Wellen zugenommen. Darüber hinaus verzeichnen die Forschenden unter Befragten mit Vertrauensverlust eine vergleichsweise große Zunahme der Ansteckungssorgen für sich selbst oder für ein Familienmitglied.

Sorgen um die eigene wirtschaftliche und berufliche Zukunft sind hingegen rückläufig. Hier zeichnet sich nach Analyse von Kohlrausch und Hövermann eine gewisse Stabilität ab.

Finanzielle Situation: Bei den meisten recht stabil, wachsende Probleme bei Menschen mit Niedrigeinkommen

Auch beim Blick auf die Gegenwart, der einfängt, wie die Befragten aktuell Belastungen im Hinblick auf ihre finanzielle und Arbeitssituation einschätzen, zeigt sich bei einer Mehrheit eine gewisse Stabilisierung: Die Anstiege im Vergleich zum Sommer 2021 sind moderat und das Belastungsniveau geringer als zu Beginn der Pandemie. Ein detaillierter Blick auf die Belastungen nach Einkommenssituation zeigt allerdings eine wichtige Ausnahme: Die Haushalte mit den niedrigsten Einkommen sind in Bezug auf die finanzielle Situation besonders stark belastet, und ihre Probleme haben seit Mitte 2020 deutlich zugenommen. „Das kann man so interpretieren, dass die Hilfspakete und Arbeitsmarktinstrumente, die zur Absicherung von Erwerbstätigen geschaffen wurden, tatsächlich materielle Sicherheiten vermitteln. Für Menschen mit niedrigen Einkommen gilt das jedoch nicht oder nur begrenzt“, sagt WSI-Direktorin Kohlrausch. „Viele von ihnen dürften in prekären Arbeitsverhältnissen stecken, die durch die grundsätzlich wirksamen Schutzmechanismen unzureichend erfasst sind.“

Allerdings beobachten die Forschenden in allen Einkommensgruppen einen Wiederanstieg der „Gesamtbelastung“, also des allgemeinen durch die Pandemie hervorgerufenen Stressgefühls. „Dieses Gefühl scheint bei einem Teil der Befragten recht diffus zu sein in dem Sinne, dass sie sich nach zwei Jahren Ausnahmezustand ausgelaugt fühlen und gesellschaftliche Spannungen, Entbehrungen und bei vielen auch Enttäuschungen an ihnen zehren. Es muss nicht unbedingt in einem direkten Zusammenhang zu konkreten Schwierigkeiten bei der Arbeit oder in der Familie stehen“, erklärt Sozialforscher Hövermann. Überdurchschnittlich hoch und vergleichsweise ausgeprägt ist das Belastungsgefühl bei Befragten, die in Haushalten mit Kindern leben, und noch einmal stärker bei den Müttern in solchen Haushalten.

Mütter in Sorge um sozialen Zusammenhalt und zunehmend unzufrieden

Dass sich Mütter besonders stark belastet fühlen, ist nach Analyse von Kohlrausch und Hövermann wenig überraschend, wenn man sich anschaut, wer in den meisten Familien die Lasten der Krise trägt: 19 Prozent der Frauen mit betreuungsbedürftigen Kindern haben im Januar 2022 angegeben, ihre Arbeitszeit wegen der Kinderbetreuung verringert zu haben. Mit Ausnahme des ersten sehr harten Lockdowns im April 2020 (damals waren es 24 Prozent) ist dies der höchste Wert seit Beginn der Befragung. Offenbar wirkt sich hier aus, dass Schulen und Kitas zwar grundsätzlich offen sind, der Betreuungsbedarf durch häufige Infektionen oder Quarantäne von Kindern aber trotzdem sehr groß und kaum vorab planbar ist. Der Anteil der Väter, die zur Kinderbetreuung ihre Arbeitszeit reduzieren, lag im Januar mit knapp 6 Prozent deutlich niedriger – und war auch erheblich kleiner als zu Beginn der Pandemie (knapp 16 Prozent).

Mütter machen sich auch besonders häufig große Sorgen um den sozialen Zusammenhalt und die soziale Ungleichheit. Auch hat sich die Zufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung vor allem bei Müttern überdurchschnittlich stark reduziert. Hinzu kommt eine wieder ansteigende und hier besonders stark ausgeprägte Ansteckungssorge.

Impfverhalten: Wer Vertrauen in Krisenmanagement verliert, hat auch weniger Lust auf die Booster-Impfung

Auch zu Impfstatus und Impfverhalten der Erwerbspersonen in Deutschland liefert die neue Befragungswelle interessante Befunde, die nach Einschätzung der Forschenden Grund zur Beunruhigung geben. WSI-Experte Hövermann konstatiert einerseits eine Kontinuität: Befragte, die bereits zu Beginn der Pandemie unzufrieden mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung waren, sind auch besonders häufig unter den weiterhin Ungeimpften und unter denen, die zwar doppelt geimpft sind, aber sich zuletzt nicht mehr für den Booster entschieden haben. Zusätzlich scheint sich aber eine neue Gruppe zu bilden: Befragte, die bis zu einem bestimmten Punkt der Pandemie zufrieden mit dem Krisenmanagement der Regierung waren, im weiteren Verlauf aber das Vertrauen in den Umgang der Politik mit der Pandemie verloren haben. Unter ihnen sind überdurchschnittlich viele, die zwar geimpft, aber nicht „geboostert“ sind und auch keine Absicht haben, sich die dritte Impfung noch geben zu lassen.

„Wir können somit anhand des Impfverhaltens während der Pandemie nachzeichnen, wie groß und verfestigt einerseits der Widerstand der Ungeimpften ist. Andererseits aber auch, wie im letzten halben Jahr einige so stark Vertrauen eingebüßt haben, dass sie ausgestiegen sind und sich beispielsweise nicht mehr boostern lassen wollen“, sagt Hövermann.

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