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BGH beschränkt „Kopie“ im datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch

13.05.2024  — Rolf Becker.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 5. März 2024 im Fall VI ZR 330/21 hat wichtige Konsequenzen im Zusammenhang mit dem Recht auf eine “Kopie der personenbezogenen Daten” gemäß Artikel 15 Absatz 3 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Rechtsanwalt Rolf Becker aus Alfter erläutert die Folgen.

Worum geht es?

Jeder hat nach Art. 15 DSGVO das Recht, von Unternehmen oder Behörden Auskünfte zu den verarbeiteten personenbezogenen Daten zu erhalten. Dieses Recht soll es den betroffenen Personen ermöglichen zu überprüfen, welche Informationen über sie gesammelt wurden.

In Art. 15 Abs. 3 DSGVO ist ergänzend geregelt:

(3) Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Für alle weiteren Kopien, die die betroffene Person beantragt, kann der Verantwortliche ein angemessenes Entgelt auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen. Stellt die betroffene Person den Antrag elektronisch, so sind die Informationen in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen, sofern sie nichts anderes angibt.

Was dies genau bedeutet und welche Reichweite damit verbunden ist, blieb bislang noch unklar und unter Juristen strittig. Zur Auskunft selbst hatte der BGH bereits mit Urteil vom 15. Juni 2021 entschieden, dass der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO weit auszulegen ist (BGH, Urteil vom 15. Juni 2021, Az.: VI ZR 576/19), so dass auch interne Notizen und E-Mail-Kommunikation vom Auskunftsanspruch umfasst wird. Daher konnte man davon ausgehen, dass alle Kopien dieser Dokumente der Auskunft beizufügen sind, auch wenn der Betroffene diese bereits im Besitz hatte.

Kopien aus 20 Jahren Tätigkeit

Es ging um Kopien von personenbezogenen Daten über mehr als 20 Jahre hinweg. Die sollte eine Finanzberaterin der Klägerin, für die sie tätig war, aus dem Zeitraum ihrer Tätigkeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. März 2018 inklusive Telefonnotizen, Beratungsschreiben usw. herausgeben.

Die beklagte Finanzberaterin gab jedoch nur Auskunft über die gespeicherten Personendaten ohne Dokumentkopien. Daraufhin klagte die Klägerin auf Herausgabe der Kopien aller bei der Beklagten vorhandenen Dokumente. In I. Instanz vor dem LG München bekam sie zunächst Recht. Das Gericht verurteilte die Beklagte zur Herausgabe aller Dokumente, die personenbezogene Daten der Klägerin enthielten. Auch das OLG München bestätigte die Verurteilung im Wesentlichen und führte wiedergegeben im BGH-Urteil zu den Dokumenten aus:

„Das seien alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person bezögen. Hinsichtlich der bei den Beklagten befindlichen Daten lasse sich jeweils aus dem Betreff bzw. dem Gesprächspartner eine Verbindung zu der Klägerin ziehen. Schreiben und E-Mails der Klägerin an die Beklagten seien ihrem gesamten Inhalt nach personenbezogene Daten. Telefonnotizen, Aktenvermerke und Protokolle als interne Vermerke der Beklagten, die Informationen über die Klägerin enthielten, seien ebenfalls als personenbezogene Daten einzuordnen. Die Klägerin mache vorliegend nicht den Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO geltend. Die entsprechende Auskunft hätten die Beklagten bereits vorgerichtlich erteilt. Der Klägerin stehe ein eigenständiger Anspruch auf Überlassung von Kopien gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO zu. Es handele sich bei Abs. 1 und Abs. 3 des Art. 15 DSGVO um zwei unterschiedliche Ansprüche, die zwar denselben Gegenstand beträfen, sich jedoch auf der Rechtsfolgenseite unterschieden. Der Gläubiger habe nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO einen Anspruch auf Überlassung der Informationen in der Form, wie sie dem Verantwortlichen vorlägen. Ein notwendiger Schutz des Schuldners werde durch die Möglichkeit der Schwärzung nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO gewährleistet.

Nur Komplettkopien vom Auskunftsberechtigten

Der BGH verurteilte die Beklagte jetzt zur Herausgabe von Kopien der bei ihr vorhandenen und von der Klägerin selbst verfassten E-Mails und Briefe und grenzt mit seiner Entscheidung die Reichweite des Begriffs “Kopie der personenbezogenen Daten” ein. Zur Begründung führte der BGH an, dass Art. 15 Abs. 3 DSGVO keinen weitergehenden Anspruch auf Auskunft gewährt, als er in Abs. 1 der Vorschrift vorgesehen ist. Vielmehr geht es danach in Absatz 3 nur um die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der Auskunftspflicht, die in Form einer „Kopie“ der Daten zu erfolgen hat.

Die Auskunft bezieht sich danach zunächst auch auf Vorgänge vor Inkrafttreten der DSGVO:

„Die Datenschutz-Grundverordnung bezieht sich auch auf Verarbeitungsvorgänge, die vor dem 25. Mai 2018 als dem Anwendungsdatum der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 99 Abs. 2 DSGVO) ausgeführt wurden, wenn das Auskunftsersuchen nach diesem Datum vorgebracht wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2023 - C-579/21, NJW 2023, 2555 Rn. 36).“

und weiter:

Nach diesen Grundsätzen sind - wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist - Schreiben der betroffenen Person an den Verantwortlichen ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten einzustufen, da die personenbezogene Information bereits darin besteht, dass die betroffene Person sich dem Schreiben gemäß geäußert hat, umgekehrt aber Schreiben des Verantwortlichen an die betroffene Person nur insoweit, als sie Informationen über die betroffene Person nach den oben genannten Kriterien enthalten (…). Dass diese Schreiben der betroffenen Person bereits bekannt sind, schließt den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus (…).
Demgegenüber handelt es sich - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - weder bei Schreiben und E-Mails der Beklagten, noch bei Telefonnotizen, Aktenvermerken oder Gesprächsprotokollen der Beklagten und auch nicht bei Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen zwangsläufig in ihrer Gesamtheit um personenbezogene Daten der Klägerin, auch wenn sie Informationen über die Klägerin enthalten. Zwar ist bei internen Vermerken wie Telefonnotizen oder Gesprächsprotokollen, die festhalten, wie sich die Klägerin telefonisch oder in persönlichen Gesprächen äußerte, denkbar, dass der Vermerk ausschließlich Informationen über die Klägerin enthält. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass dies in allen Fällen so ist. Deshalb ergibt sich aus dem Erfordernis, eine vollständige Auskunft über personenbezogene Daten zu erteilen, kein Anspruch der Klägerin darauf, dass - wie von ihr gefordert - alle diese Dokumente im Gesamten als Kopie zu überlassen sind.

Ausnahmen

Allerdings kann sich die „Reproduktion von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken“ nach dem Urteil „als unerlässlich erweisen, wenn die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten und der betroffenen Person die wirksame Ausübung ihrer Rechte zu gewährleisten“. Dazu muss ein Auskunftsberechtigter aber vortragen, was im Verfahren nicht der Fall war.

Grundsätzlicher Auskunftsanspruch bleibt

Die Klägerin hatte erst in der Revision den Anspruch auf die Überlassung von "Kopien" von personenbezogenen Daten der Klägerin, die in den genannten Dokumenten enthalten sind, erhoben und versucht, damit auch die Daten zu erfassen, die nicht in den von ihr selbst erstellten Dokumenten enthalten waren. Das ging aber aus prozessualen Gründen (unzulässige Klageänderung) nicht mehr.

Fazit

Zwar schränkt der BGH hier das Auskunftsrecht hinsichtlich der Modalitäten stark ein. Allerdings können sich Auskunftsverpflichtete nicht zurücklehnen. Sie müssen zunächst Kopien aller Dokumente der Auskunft beifügen, die vom Betroffenen stammen und zusätzlich „Kopien“ aller personenbezogenen Daten aus sonstigen Dokumenten beauskunften, die nicht vom Betroffenen stammen. Dazu gehören auch Informationen, die man „über“ die Person verarbeitet und etwa in einer Notiz festhält. Das zwingt also grundsätzlich dazu, alle Dokumente zu diesem Zweck durchzusehen und die Inhalte herauszulösen und in der Auskunft zusammenzutragen. Da erscheint es vielfach einfacher, gesammelt die Dokumente als Kopien zusammenzustellen, gerade, wenn es wie hier um viele Jahre geht, in denen es einen Kommunikationsaustausch gegeben hat. Die Beklagte hatte hier nur das Glück, dass die präzisierenden Anträge erst zu einem Zeitpunkt gestellt wurden, in dem dies eben prozessual nicht mehr ging.

Bild: Mikhail Nilov (Pexels, Pexels Lizenz)

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