08.02.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Landesarbeitsgericht Düsseldorf.
Der 53 Jahre alte und verheiratete Kläger, der vier Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, war seit dem 01.04.1987 bei der Beklagten als Hilfskraft im Tiefdruck beschäftigt. Sein monatliches Bruttoeinkommen betrug 3.200,00 Euro. Er war das erste Ersatzmitglied der „Alternativen Liste K. I.“ des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats. Ordentliches Betriebsratsmitglied der Liste des Klägers war Herr I.
Bei der Beklagten handelte es sich um einen Druckereibetrieb. Die bei dem Druckvorgang verwendeten Lösungsmittel waren leicht entzündbar. Bei dem Trocknungsprozess mischten sie sich mit Luft. Dieses Gemisch konnte durch einen Funken in Brand gesetzt werden, wobei die Druckmaschinen allerdings mit modernen Absaugeinrichtungen ausgerüstet waren. Zudem stellten in den nicht explosionsgefährdeten Bereichen des Betriebs u.a. der Papierstaub sowie die Papierprodukte Brandlasten dar. Im Betrieb der Beklagten waren in der Vergangenheit mehrfach Brände aufgetreten. Es bestand im Betrieb ein Rauchverbot, auf das durch entsprechend Aushänge hingewiesen wurde.
Der Kläger verstieß nachweislich 4-mal gegen diese Vereinbarungen und daraus folgten 4 Abmahnungen (am 10.09.1996, am 07.01.2003, am 17.08. 2007 und schließlich am 22.09.2009).
Am 05.04.2011 gegen 17.30 Uhr traf die Beklagte den Kläger rauchend in der Halle mit der Rotationsmaschine 9 an. Am Dienstag, den 12.04.2011 wurde der Kläger zur Betriebsratssitzung am Donnerstag, den 14.04.2011 eingeladen, weil Herr I. am 14.04.2011 abwesend war. Mit Schreiben vom 12.04.2011 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an. Der Betriebsrat behandelte die Angelegenheit im Rahmen der wöchentlichen Betriebsratssitzung am 14.04.2011 – zu diesem Tagesordnungspunkt ohne den Kläger.
Am Vormittag des 15.04.2011 teilte die Betriebsratsvorsitzende Frau I. der Geschäftsführung mit, dass der Betriebsrat den Beschluss gefasst habe, zur Angelegenheit keine Stellungnahme abzugeben. Auf eine weitere Stellungnahme brauche die Beklagte nicht zu warten. Die Beklagte bereitete daraufhin die Kündigungserklärung vor. Mit Schreiben vom 15.04.2011 kündigte sie das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos.
Ab Montag, den 18.04.2011 hatte Herr I. für drei Wochen Urlaub. An der nächsten regulären Betriebsratssitzung am 21.04.2011 nahm Herr U. für die Liste des Klägers teil. Der Kläger ist der Ansicht gewesen, es habe für die Kündigung der Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 103 BetrVG bedurft. Wegen des Urlaubs von Herrn I. sei er fortlaufend dafür vorgesehen gewesen, auch an weiteren Betriebsratssitzungen teilzunehmen und das Amt aktiv wahrzunehmen. Maßgeblich sei, dass ihm zu dem Zeitpunkt, in dem der Betriebsrat angehört wurde, der Schutz nach § 103 BetrVG zustand.
Der Kläger hat eingeräumt, dass er rauchend angetroffen worden sei. Er wisse, dass er sein Verhalten ändern müsse und hat behauptet, er habe jetzt mit dem Rauchen aufgehört. Allerdings sei die Stelle, an der er am 05.04.2011 rauchend angetroffen wurde, keine Gefahrenstelle. Er sei nur vier bis fünf Meter von dem betrieblichen Raucherplatz in der Halle mit der Rotationsmaschine 9 angetroffen worden. Wenn in der Halle geraucht werden dürfe, dann sei nicht von einer Explosionsgefahr auszugehen, wenn man sich von dem Raucherplatz nur einige Meter entferne. Es sei auszuschließen, dass dort leicht entzündlicher Papierstaub vorherrschte oder eine Zigarettenglut ein Großfeuer auslöse. Ob andere Mitarbeiter ihre Zigarettenkippe in eine Abfalltonne werfen oder in anderer Weise entsorgen, sei unerheblich. Er habe sich so nicht verhalten. Am 22.09.2009 habe er sich noch vor seiner Schicht in der Raucherecke in Halle 7 befunden. Er sei dort von dem Maschinenführer angesprochen worden, mit der Bitte sich mal eben den Arbeitsablauf anzusehen. Er habe sich dazu maximal zwei Meter aus der Raucherecke zur Maschine hin bewegt. Dazu habe er die Zigarette nicht aus der Hand gelegt, sondern zur Seite gehalten. In diesem Moment sei der damalige Produktionsleiter gekommen und habe ihm sofort vorgehalten, er verstoße gegen das Rauchverbot. Herr L. habe diese Umstände eingesehen, Herr Q. jedoch auf einer Abmahnung bestanden.
Der Kläger hat weiter die Ansicht vertreten, dass sich aus der letzten Abmahnung ebenso wie aus derjenigen vom 17.08.2007 ergebe, dass auch weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen in Betracht kämen. Die Beklagte hätte ihm eine Kündigung ausdrücklich ankündigen müssen. Außerdem sei die Androhung von arbeitsrechtlichen Folgen gegenüber den Abmahnungen vom 07.01.2003 und vom 11.09.1996 abgeschwächt. Es hätte ihm mit der letzten Abmahnung verdeutlicht werden müssen, dass es sich um die letzte Warnung handelt.
Die Berufung ist begründet. Die außerordentliche und fristlose Kündigung vom 15.04.2011 hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnisaufgelöst. Es liegt ein wichtiger Grund (§ 626 Abs. 1 BGB) für die außerordentliche Kündigung vor, welche die Beklagte innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB erklärt hat. Einer Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG bedurfte es nicht. Die Anhörung gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG ist ordnungsgemäß erfolgt.
Für die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger liegt ein wichtiger Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB vor. Die Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB eingehalten. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder Nicht.
Im Hinblick auf den Sonderkündigungsschutz des Klägers als Ersatzmitglied (§ 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG) war hier maßgeblich die Zumutbarkeit zur Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist.
Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung kann nicht nur in einer erheblichen Verletzung der vertraglichen Hauptleistungspflichten, sondern auch in der schuldhaften Verletzung von Nebenpflichten liegen. Da die ordentliche Kündigung die übliche und grundsätzlich ausreichende Reaktion auf die Verletzung einer Nebenpflicht ist, kommt eine außerordentliche Kündigung nur in Betracht, wenn das Gewicht dieser Pflichtverletzung durch erschwerende Umstände verstärkt wird. Als Vertragspflichtverletzung, die grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen vermag, ist dabei ein nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers anzusehen. Die Verletzung eines aus sachlichen Gründen gebotenen, wirksamen Rauchverbots im Betrieb ist an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Dies gilt zur Überzeugung der Kammer jedenfalls dann, wenn es sich um einen nachhaltigen Verstoß gegen das Rauchverbot in einem feuergefährdeten Betrieb handelt. Unstreitig bestand seit jeher im Betrieb der Beklagten ein wirksames Rauchverbot, auf das zudem in entsprechenden Aushängen hingewiesen worden ist. Es ist zuletzt in der BV 1/2009 geregelt worden. Danach war das Rauchen im Betrieb grundsätzlich untersagt und lediglich in den ausdrücklich als Raucherzonen ausgewiesenen Bereichen erlaubt. Diese waren in der Produktionshalle durch entsprechende Bodenmarkierungen sowie ein Schild „Rauchen erlaubt“ gekennzeichnet. Es handelte sich dabei nicht „nur“ um ein Rauchverbot aus Gründen des Nichtraucherschutzes.
Verstößt in dieser Situation in einem konkret brandgefährdeten Betrieb ein Arbeitnehmer wie vorliegend der Kläger nachhaltig bzw. beharrlich gegen das betriebliche Rauchverbot, ist zur Überzeugung der Kammer an sich ein Grund für eine außerordentliche Kündigung gegeben.
Der Kläger ist mehrfach einschlägig abgemahnt worden. Im Hinblick auf diese Vorgeschichte war der Kläger zur Überzeugung der Kammer hinreichend gewarnt, dass er bei einem erneuten Verstoß gegen das Rauchverbot sein Arbeitsverhältnis gefährdet. Es bedurfte vor dem erneuten Verstoß am 05.04.2011 keiner eindringlichen Warnung oder eines Gesprächs, um ihm zu verdeutlichen, dass bei einem erneuten Verstoß gegen das Rauchverbot der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.
Quelle: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 09.11.2011 (AZ: 12 Sa 956/11) (in Auszügen)