17.05.2024 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Nach Ansicht der Jurist*innen der Antidiskriminierungsstelle bestehe „insbesondere die Gefahr, dass staatliche Einrichtungen verpflichtet werden, das Geschlechtsdiskriminierungsverbot (Artikel 3 GG) sowie allgemeine Persönlichkeitsrechte (Artikel 2 I in Verbindung mit Artikel 1 I GG) von Frauen, intergeschlechtlichen sowie nicht-binären Menschen zu verletzen“. Je nach Bereich könnten zudem weitere Grundrechte betroffen sein. Mehrere Länder, darunter der Freistaat Bayern, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben in den vergangenen Monaten Verbote zum Gebrauch geschlechtergerechter Sprache an Schulen, Hochschulen, in der Verwaltung und teilweise auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verordnet oder angekündigt (detaillierte Übersicht im Kurzgutachten).
Menschen zu verbieten, inklusive Sprache zu verwenden, ist ein Rückschritt ins letzte Jahrhundert. Der Staat sollte Respekt und Toleranz fördern, nicht verbieten. Er hat nicht das Recht, sich in das Persönlichkeitsrecht der Bürger*innen einzumischen. Die sogenannten Genderverbote sind verfassungsrechtlich problematisch und dienen einem Kulturkampf auf dem Rücken von Minderheiten.
Ferda Ataman, Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung
Außerdem gebe es einen angeblichen „Genderzwang“, gegen den sich Verbote auf Länderebene richten, überhaupt nicht. „Das ist eine Scheindebatte“, ergänzte Ataman.
Dem Gutachten zufolge greifen Verbote von geschlechtergerechten Schreibweisen an Hochschulen in die Wissenschaftsfreiheit (Artikel 5 GG) ein. Hochschulen dürfen ihre Angelegenheiten selbst regeln. Laut dem Rat für deutsche Rechtschreibung haben „Hochschulen und Lehrende […] die Freiheit des Studiums nicht nur bei der Wahl von Lehrveranstaltungen, sondern auch bei der Erarbeitung und Äußerung wissenschaftlicher Meinungen der Studierenden zu beachten und zu schützen.“
An Schulen könnten Verbote einer geschlechtergerechten Schreibweise die betroffenen Lehrkräfte und Schüler*innen in ihrer Meinungsfreiheit des Artikel 5 I 1 GG sowie in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit des Artikel 2 I GG verletzen und sie gegebenenfalls selbst diskriminieren. Geschlechtliche Vielfalt abzubilden und Selbstbezeichnungen der Schüler*innen zu respektieren, seien zudem wichtige Bestandteile von Demokratie- und Menschenrechtsbildung an Schulen. Auch die pädagogische Freiheit der Lehrkräfte könnte unzulässig eingeschränkt werden.
Wenn der Staat dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk geschlechtergerechte Schreibweisen oder Sprechweisen verbieten würde, wäre das ein Eingriff in die verfassungsrechtlich gesicherte Programmautonomie und verletze damit die Rundfunkfreiheit aus Artikel 5 Absatz 1 S. 2 GG. Der Gesetzgeber könne zwar teilweise die Organisationsstruktur des Rundfunks regeln, doch die Entscheidung über die Inhalte und Formen des Programms steht den Rundfunkanstalten zu. Einwirkungen auf die Rundfunkfreiheit müssen grundsätzlich besonders gerechtfertigt werden.
Das Kurzgutachten „Rechtliche Einschätzung staatlicher 'Genderverbote'” ist im Rahmen der Schriftenreihe „Standpunkte“ der Antidiskriminierungsstelle erschienen und hier abrufbar.Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) ist 2006 mit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gegründet worden. Ziel des Gesetzes ist es, Diskriminierung aus rassistischen oder antisemitischen Gründen, wegen des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Die ADS berät rechtlich, kann Stellungnahmen einholen und gütliche Einigungen vermitteln. Sie betreibt Forschung und Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Diskriminierung. Seit 2022 wird die Leitung der Stelle als Unabhängige Bundesbeauftrage für Antidiskriminierung vom Deutschen Bundestag gewählt.
Bild: MJ S (Unsplash, Unsplash Lizenz)
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