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Anhörung bei Verdachtskündigung

15.11.2010  — none .  Quelle: none.

Verdachtskündigungen "trendy"?

Vielleicht ist es mutig zu sagen, dass Verdachtskündigungen “trendy” sind. Doch kommt sie in in meiner anwaltlichen Praxis nicht selten vor. Gerne wird die fristlose Verdachtskündigung auch genutzt, sich dadurch vor Abfindungszahlungen aus Sozialplan oder bereits geschlossenem Aufhebungsvertrag zu drücken.

Das Gesetz und die Rechtsprechung stellt an diese Art jedoch wenn auch nicht unüberwindbare aber hohe Anforderungen an den Arbeitgeber. Dies fängt bereits mit der verpflichtenden Anhörung vor Ausspruch der Kündigung (bzw. vor Anhörung des Betriebsrats zu dieser Kündigung, § 102 Abs. 1 BetrVG).

Das Bundesarbeitsgericht stellte folgende Grundsätze auf:

“Die Anhörung des Arbeitnehmers hat im Zuge der gebotenen Aufklärung des Sachverhalts zu erfolgen. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Sie muss jedenfalls nicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden (Senat 13. September 1995 – 2 AZR 587/ 94 – BAGE 81, 27, zu II 3 der Gründe; 26. September 2002 – 2 AZR 424/ 01 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1, zu B I 1 b bb der Gründe). Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung und Information des Betriebsrats einerseits und an die Anhörung des Arbeitnehmers im Rahmen einer Verdachtskündigung andererseits dienen anderen Zwecken und sind schon deshalb im Ansatz nicht vergleichbar (Eylert/ Friedrichs DB 2007, 2203, 2205). Dennoch reicht es grundsätzlich nicht aus, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Rahmen einer Anhörung zu einer Verdachtskündigung lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen zu bezeichnen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Allein um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt. Dagegen ist sie nicht dazu bestimmt, als verfahrensrechtliche Erschwernis die Aufklärung zu verzögern und die Wahrheit zu verdunkeln.” BAG, Urteil vom 13. 3. 2008 – 2 AZR 961/ 06

Der Arbeitgeber muss also konkret darlegen, welche Tat bzw. Vertragspflichtverletzung er dem Arbeitnehmer vorwirft, so dass dieser auch die Chance hat, inhaltlich die Verdachtsmomente zu entkräften. Eine Anhörung “zwischen Tür und Angel” oder die Konfrontation mit nicht greifbaren Vorwürfen reicht also nicht.

Weiter hat der Arbeitnehmer das Recht, einen Anwalt hinzuzuziehen. Verweigert ihm das der Arbeitgeber, so kann der Pflicht zur Anhörung bereits hierdurch nicht genüge getan, die Kündigung folglich unwirksam sein (ArbG Berlin Urteil vom 13.Februar 2009 – 28 Ca 19212/08 – höchstrichterlich noch nicht geklärt).

Ist ein Betriebsrat vorhanden, so wird die Wirksamkeit der Kündigung auch daran scheitern, dass der Arbeitnehmer nicht vor der Anhörung des Betriebsrats zu der beabsichtigten Kündigung angehört wurde (ArbG München, Beschluss vom 04.03.2019 – 36 BV 298/09).

Der Arbeitnehmer ist, insbesondere wenn er sich unsicher fühlt, gut beraten, sich unter Hinweis auf die Hinzuziehung eines Anwalts eine Stellungnahmefrist einräumen zu lassen. Je höher dadurch die Anforderungen an die Anhörung werden, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Kündigung bereits in diesem Stadium scheitert.


Quelle: Kanzlei Volker Lehmann
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