03.05.2018 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Der Kläger erklärte für das Streitjahr 2011 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von 70.300 €, den er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelte. Dabei hatte er einen Investitionsabzugsbetrag von 28.000 € für die beabsichtigte Anschaffung von ... abgezogen. Ferner erklärte er Einkünfte aus selbständiger Arbeit ... von 70.877 €. Das FA setzte die Einkommensteuer 2011 am 21. Januar 2014 erklärungsgemäß auf 41.493 € fest. Dieser Bescheid stand nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Im Jahr 2015 fand eine Außenprüfung beim Kläger statt. Im Betriebsprüfungsbericht vom 28. Oktober 2015 kam der Prüfer zu der Auffassung, der Kläger habe (mit Ausnahme einer künstlerischen Tätigkeit, der der Prüfer jährlich einen pauschalen Gewinn von 10.000 € zuordnete) einen einheitlichen Gewerbebetrieb unterhalten. Der Gewinn aus diesem Betrieb habe sich für 2011 auf 132.779 € belaufen. Damit sei die Gewinngrenze des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG von 100.000 € überschritten, so dass der Investitionsabzugsbetrag nicht hätte in Anspruch genommen werden dürfen. Eine Änderung des Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sei allerdings nicht möglich; nähere Ausführungen hierzu enthält der Betriebsprüfungsbericht nicht. In den Jahren 2012 und 2013 seien die beabsichtigten Investitionen nicht vorgenommen worden. Für 2014 könne dies nicht beurteilt werden, da die Steuererklärungen 2014 noch nicht vorlägen. Am 9. Dezember 2015 reichte der Kläger die Einkommensteuererklärung 2014 ein. Am 4. Februar 2016 erließ das FA einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2011, mit dem es die Steuer auf 33.866 € herabsetzte. Der Investitionsabzugsbetrag wurde dem Kläger in diesem Bescheid unverändert gewährt.
Nach den Feststellungen des FG wurde dem FA erst aufgrund eines Schreibens des Klägers vom 10. Mai 2016 bekannt, dass die Investition, für die der Investitionsabzugsbetrag gebildet worden war, auch im Jahr 2014 nicht vorgenommen worden war. Daraufhin erließ das FA am 1. Juni 2016 den im vorliegenden Verfahren angefochtenen, auf § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG gestützten geänderten Einkommensteuerbescheid 2011, mit dem es die Steuer auf 41.902 € erhöhte. Im Einspruchs- und Klageverfahren machte der Kläger erfolglos geltend, die Voraussetzungen des § 7g Abs. 3 EStG seien schon nach dessen Wortlaut nicht erfüllt, da diese Vorschrift auf § 7g Abs. 1 EStG verweise, dessen Voraussetzungen wegen des Übersteigens der Gewinngrenze aber unstreitig nicht vorgelegen hätten.
Das FG führte zur Begründung seiner klageabweisenden Entscheidung aus, § 7g Abs. 3 EStG stelle eine eigenständige Änderungsvorschrift dar, deren Voraussetzungen hier erfüllt seien. Insbesondere habe der Kläger einen Investitionsabzugsbetrag in Anspruch genommen. Zwar sei unstreitig, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme nicht vorgelegen hätten; gleichwohl handele es sich um einen Investitionsabzugsbetrag. Der Wortlaut des § 7g Abs. 3 EStG differenziere nicht zwischen rechtmäßig und rechtswidrig gebildeten Investitionsabzugsbeträgen. Dies werde durch den Zweck der Regelung bestätigt: Die Rückgängigmachung solle im Fall der Nichtinvestition den Vorteil ausgleichen, der durch die frühere Minderung der Steuerschuld eingetreten sei. Diese gesetzgeberische Zielsetzung sei erst recht erfüllt, wenn der Investitionsabzugsbetrag gar nicht hätte in Anspruch genommen werden dürfen.
Die Beschwerde ist unbegründet (BFH Beschluss vom 5.2.2018, X B 161/17). Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) liegen nicht vor. Der Kläger formuliert sinngemäß die Rechtsfrage, ob auch ein Investitionsabzugsbetrag, der wegen Überschreitens der Gewinngrenze schon gar nicht hätte gebildet werden dürfen, gemäß § 7g Abs. 3 EStG rückgängig gemacht werden kann, wenn die beabsichtigte Investition innerhalb der dreijährigen Investitionsfrist tatsächlich nicht vorgenommen wird. Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es insbesondere dann, wenn die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist.
Zu Recht ist das FG der Auffassung des Klägers nicht gefolgt, der Wortlaut des § 7g Abs. 3 EStG stehe im Streitfall einer Rückgängigmachung des Abzugs entgegen. § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG setzt nach seinem Wortlaut insoweit lediglich voraus, dass ein "Abzug nach Absatz 1" stattgefunden hat. Dies ist vorliegend der Fall. Demgegenüber differenziert § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG nicht danach, ob im Abzugsjahr sämtliche materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Abzug vorgelegen haben. Ebenso zutreffend hat das FG auf den Normzweck des § 7g Abs. 3 EStG hingewiesen. Danach soll der Abzug immer dann rückwirkend rückgängig gemacht werden, wenn die beabsichtigte Investition innerhalb des dreijährigen Investitionszeitraums nicht vorgenommen wurde. Dieser Zweck wird unabhängig davon erfüllt, ob im Veranlagungszeitraum des Abzugs die Gewinngrenze unter- oder überschritten war.
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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