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Wechselschichtzulage und Funkzulage nicht anrechenbar auf Mindestlohnanspruch

17.08.2016  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

Der Gesetzgeber hat im Mindestlohngesetz (MiLoG) nicht ausdrücklich normiert, welche Zahlungen mindestlohnrelevant sind. Insofern gibt es immer wieder Streitigkeiten, ob Zulagen auf den Mindestlohnanspruch (derzeit EUR 8,50, ab 01.01.2017 EUR 8,84) angerechnet werden dürfen oder ob die Zulage zusätzlich zum Mindestlohn zu gewähren ist.

I. Einleitung

Nun hat das LAG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 07.04.2016 – 10 Sa 2139/15) entschieden, dass auf den Mindestlohnanspruch einer Telefonistin in einer Taxizentrale die Wechselschichtzulage und die Funkzulage nicht anzurechnen sind, da die Zulagen für eine besondere Belastung und eine besondere Qualität der Arbeit gewährt werden. Es hat aber die Revision zum BAG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

II. Sachverhalt

Die Parteien streiten u.a. darüber, inwieweit auf den Mindestlohnanspruch der Klägerin eine Wechselschichtzulage und eine Funkzulage anzurechnen sind. Streitig ist der Zeitraum 01.01.2015 bis 31.07.2015.

Die Klägerin ist seit 2006 als Telefonistin in der Taxizentrale im Drei-Schicht-Dienst beschäftigt. Sie erhält neben dem Grundgehalt u.a. eine Wechselschichtzulage und eine Funkzulage. Die Funkzulage beruht auf einem Vergütungstarifvertrag mit der Gewerkschaft ver.di. Die Funkzulage beträgt EUR 30,68 je Kanal und wird für die nachgewiesene Befähigung und Fertigkeit der selbständigen Funkkanalbedienung gewährt und zwar unabhängig davon, ob einzelne Kanäle im Abrechnungszeitraum bedient wurden. Die Klägerin hatte im Jahr 2006 nur 2 Berliner Funkbereiche abgedeckt, seit Februar 2007 drei und erst ab Januar 2008 alle vier Berliner Funkbereiche.

Die Klägerin macht für die Zeit von Januar bis Juli 2015 insgesamt EUR 1.898,75 geltend, weil sie die Wechselschichtzulage und die Funkzulage nicht auf den Mindestlohnanspruch für anrechenbar hält. Das ArbG hat die Klage abgewiesen.

III. Entscheidung

Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg. Die Wechselschichtzulage und die Funkzulage seien nicht auf den Mindestlohnanspruch anrechenbar.

Das MiLoG enthalte keine Regelung zu der Frage, welche Entgeltbestandteile auf den Mindestlohnanspruch anzurechnen seien. Zulagen seien anrechenbar, wenn sie nicht das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der von ihm erhaltenen Gegenleistung verändern (funktionale Gleichwertigkeit der zu vergleichenden Leistungen). Zulagen, die ein Arbeitnehmer als Ausgleich für zusätzliche Leistungen erhalte, wenn er auf Verlangen ein Mehr an Arbeit oder Arbeitsstunden unter besonderen Bedingungen leistet, sind hiernach nicht berücksichtigungsfähig.

Die Wechselschichtzulage sei nicht anrechenbar, da die Bundesregierung diese im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich als nicht anrechnungsfähig angesehen habe, weil die Wechselschichtzulage als Ausgleich für Arbeit unter besonderen Bedingungen gewährt werde.

Die Funkzulage sei ebenfalls nicht anrechenbar. Sie werde zwar unabhängig davon gewährt, ob einzelne Funkkanäle im Abrechnungszeitraum bedient wurden. Nach der tariflichen Zweckbestimmung werde sie aber als Zulage für besondere Fertigkeiten, also eine besondere Qualität der Arbeit, gewährt. Die Gewährung unabhängig von der konkreten Leistung in dem einzelnen Monat diene lediglich der Pauschalisierung der Berechnung des Anspruchs, um den Dokumentationsaufwand gering zu halten. Diese Auslegung berücksichtige, dass die Tarifvertragsparteien bei der Bestimmung von Ansprüchen generealisieren und typisieren dürfen.

IV. Praxishinweis

Das LAG Berlin-Brandenburg setzt sich mit der Gesetzgebungsgeschichte des MiLoG auseinander und folgt im Ergebnis der Rechtsprechung des EuGH zum Mindestlohn, wonach entscheidend ist, ob die Vergütung für die Normaltätigkeit gezahlt werde. Es hat jedoch die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil höchstrichterlich die genaue Bestimmung der Normaltätigkeit ungeklärt ist. Das BAG wird daher demnächst in mehreren Fällen über die Anrechenbarkeit von Zulagen auf den Mindestlohnanspruch zu entscheiden haben. Die 6. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg hatte erst am 29.01.2016 (6 Sa 273/15) die Funktionszulage für Inkontinenzbeauftrage in der stationären Altenpflege als für auf den Mindestlohnanspruch anrechenbar gehalten und die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (10 AZR 210/16).

Arbeitgeber, die eine Vergütung im mindestlohnnahen Bereich zahlen, ist zu empfehlen, das Grundgehalt zu erhöhen anstatt eine Zulage zu zahlen oder zu erhöhen, um Rechtsstreitigkeiten zur Anrechenbarkeit von Zulagen auf den Mindestlohnanspruch zu vermeiden.


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