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Von Nähe und Distanz

27.05.2019  — Matthias Wermke.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Die Deutschen gelten gemeinhin als förmliche, ja vielleicht etwas steife Menschen. Das zeigt sich oft schon in alltäglichen Situationen und in der Art und Weise, wie wir miteinander umgehen - z. B. wenn man unverhofft Kollegen begegnet.

Die Kneipe riecht nach Rauch. Es ist warm und stickig. Beim Gehen merken Sie, dass die Schuhe bei jedem Schritt etwas am Boden festkleben. Über die Lautsprecherboxen schallt ein Song, der in den 90ern irgendwann mal ein Hit war, dann vergessen wurde und jetzt wieder begeistert mitgesungen wird, als sei seitdem kein Tag vergangen. Beim Umschauen entdecken Sie wenige Meter entfernt ein bekanntes Gesicht – der Kollege aus dem Marketing. Sie haben miteinander über einigen Tassen Kaffee schon manch ein nettes Gespräch geführt. Außerhalb Ihrer Büroräume sind Sie sich bislang allerdings noch nie begegnet. Da sich Ihre Blicke kreuzen, gibt es nun keinen Ausweg mehr als sich „Hallo“ zu sagen.

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Auf dem Weg zu Ihrem Kollegen denken Sie angestrengt über die Frage nach der angemessen Begrüßung nach. Ein formelles Händeschütteln könnte den Eindruck vermitteln, Sie seien nicht bereit, Ihre professionelle Verbindung wenigstens für den Zeitraum eines Kneipenabends zu vergessen. Es könnte steif und unentspannt wirken. Eine Umarmung wäre hingegen vermutlich zu viel des Guten. So begrüßen Sie doch eigentlich nur enge Freunde und nahe Verwandte. Wie wäre es also stattdessen mit einer eher jugendlichen Geste? Ein High-Five? Das wäre dann doch sehr aufgesetzt und möglicherweise auch nicht ganz altersgerecht.

Als Sie einander schließlich erreichen, stellen Sie fest, dass sich Ihr Kollege offenbar in der gleichen inneren Bredouille befindet. Ergebnis dieser beiderseitig empfundenen Unsicherheit ist ein merkwürdiger Hybrid aus anfänglichem Händereichen, dem sich eine wenig überzeugende, halbe Umarmung anschließt, was Sie beide in tiefe Verlegenheit stürzt. Nach einem Moment des gefühlt nicht enden wollendem Wortgeklaubes, löst sich Ihre soziale Starre jedoch erfreulicherweise, als Sie auf Ihr gemeinsames Lieblingsthema, den verdammten öffentlichen Nahverkehr, zu sprechen kommen. Nach einem gemeinsamen Bier und einem weiteren netten Gespräch können Sie sich mit dem beruhigenden Gefühl von einander lösen, dass Sie sich bei der nächsten Begegnung auf dem Flur oder in der Gemeinschaftsküche noch in die Augen sehen können.

Woher kommt diese Unsicherheit, wie viel Nähe im Umgang miteinander angebracht ist? Ist es zwingend eine Frage des jeweiligen Auftretens oder gibt es möglicherweise einen größeren Zusammenhang? Wie immer ist die Antwort auf solche Frage so eindeutig wie unbefriedigend: Beides!

Interessant ist aber, dass das Empfinden für Nähe und Distanz neben der psychologischen auch eine kulturelle Dimension hat. Während man in Lateinamerika ein deutlich engeres Verhältnis zu einander pflegt, sich auch fremde Personen mit einer Umarmung oder angedeuteten Küsschen auf die Wange begrüßen, halten auch einander bekannte Menschen, z. B. in Japan, eher Abstand zueinander und winken sich zur Begrüßung zu. Was für den privaten Rahmen gilt, muss jedoch für den professionellen nicht unbedingt Gültigkeit haben.

Gerade wenn man beruflich viel mit Geschäftspartner*innen aus dem Ausland zu tun hat, sollte man sich auf gewisse Gepflogenheiten einstellen, um Missverständnissen vorzubeugen. Die Art und Weise einer angemessen Begrüßung ist da nur eine der vielen Faktoren, die sich abhängig von der Herkunft des Gegenübers stark unterscheiden können. Deswegen kann es sinnvoll sein, sich mit solchen Verhaltensnormen verschiedener Ländern rund um den Globus auseinanderzusetzen und die Grundregeln für Verhalten und Kommunikation im internationalen Geschäft kennenzulernen, um sich sicher auf dem „internationalen Parkett“ zu bewegen!

Bild: un-perfekt (Pixabay, Pixabay License)

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