16.07.2019 — Jasmin Dahler. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Sexuelle Belästigung kann verschiedenste Gestalt annehmen. Doch wo fängt sexuelle Belästigung eigentlich an? Können Sie mit Sicherheit sagen, wann es sich in einer Situation um sexuelle Belästigung handelt?
Sie lesen gleich sechs kurze, fiktive Szenarien. Überlegen Sie, ob es sich dabei um sexuelle Belästigung handelt oder nicht:
Bei vier der beschriebenen Fälle handelt es sich per Gesetz um sexuelle Belästigung. Die Definition, was unter sexuelle Belästigung fällt, ist nämlich ziemlich eindeutig. Bei einer sexuellen Belästigung handelt es sich nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) um eine unerwünschte Verhaltensweise, die sexualisiert und geschlechtsbezogen ist:
„Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“
Dabei ist es unerheblich, ob die Person beabsichtigt hatte, die Würde des Belästigten oder der Belästigten zu verletzen. Es geht lediglich um die Auswirkungen auf die belästigte Person. Sexuelle Belästigung kann verbale, non-verbale und physische Formen annehmen. Sexuell zweideutige Äußerungen und anzügliche Blicke zählen somit ebenso zur sexuellen Belästigung wie unerwünschte Berührungen.
Jede Form der sexuellen Belästigung ist am Arbeitsplatz verboten. Zum Beispiel ist es im Alltag nicht verboten (aber moralisch fragwürdig), einer Frau offensichtlich auf die Brüste zu schauen, am Arbeitsplatz schon. Die verschärften Gesetze sollen Beschäftigte besonders schützen. Am Arbeitsplatz hat eine belästigte Person keine Möglichkeit, der belästigenden Person aus dem Weg zu gehen. Der Arbeitsplatz muss jedoch für alle Beschäftigten ein sicheres Umfeld bieten. Daher gehören Dienstreisen, der Arbeitsweg, Firmenfeiern, Betriebsausflüge sowie jegliche Kommunikation (SMS, E-Mail und Anrufe) ebenso zu diesem Schutzraum, den Arbeitgeber*innen bieten müssen.
Einem Maschinenführer wird aufgrund sexueller Belästigung einer Auszubildenden fristlos gekündigt. Er schrieb ihr mehrere SMS. Am 19.02.2001 sandte der Mann während der Arbeitszeit der Auszubildenden eine SMS mit folgendem Inhalt: „[…] Du geiles Etwas, heute komme ich zu Dir, dann bumsen wir eine Runde.“
Die Auszubildende wandte sich an die betriebliche Jugend- und Auszubildendenvertretung und an den Betriebsrat. Der Vorgesetzte sprach den Maschinenführer umgehend auf den Vorfall an. Dieser antwortete, das sei seine Privatsache. Es folgte eine fristlose Kündigung.
Der Mann klagte gegen die Kündigung: Er habe der Frau gegenüber erklärt, dass er Interesse daran hätte, mit ihr zusammenzukommen, und er hätte nur eine Abmahnung bekommen sollen.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschied zugunsten des Arbeitgebers. Die fristlose außerordentliche Kündigung sei wirksam gewesen.
LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 24.10.2001 - 9 Sa 853/01
Sexuelle Belästigung bzw. sexualisierte Belästigung kann in drei Formen unterschieden werden:
Es handelt sich bei dieser Liste lediglich um einige Beispiele und umfasst nicht alle Handlungen, die als sexuelle Belästigung gewertet werden können.
Insbesondere verbale und non-verbale Belästigung wird oft heruntergespielt. Der belästigten Person wird vorgeworfen, sie habe einen Witz nicht verstanden oder einen normalen Flirtversuch fehlgedeutet.
Ob es sich um einen Flirt, der durchaus am Arbeitsplatz gestattet ist, oder sexuelle Belästigung handelt, lässt sich leicht erkennen: Flirts geschehen in beiderseitigem Einverständnis.
Jedes übergriffige Verhalten ist weder ein Flirt noch ein Witz. Signalisiert eine Person Ablehnung oder wird auf irgendeine Art und Weise beschämt, handelt es sich klar um sexuelle Belästigung.
Im nächsten Teil widmen wir uns dem Thema: Zahlen, Fakten, Ursachen und Folgen.
Quellen und Hintergründe:
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