20.11.2023 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Bain and Company Germany, Inc..
Anhaltender Erfolg erfordert ein schlüssiges Net-Zero-Konzept, moderne Fabriken, nachhaltige Profitabilitätssteigerung und den richtigen Umgang mit Unwägbarkeiten. Verschmutzte Meere durch Plastikabfall, überquellende Mülldeponien: Die Papier- und Verpackungsbranche gerät weltweit zunehmend unter Druck, umweltfreundlichere Produkte zu entwickeln. Viele Unternehmen haben darauf bereits reagiert und Nachhaltigkeitsmaßnahmen angekündigt. Doch es herrscht Uneinigkeit darüber, welches Verpackungsmaterial tatsächlich das nachhaltigste ist. Und ein großer Teil hat es bislang nicht geschafft, die eigenen Emissionsziele zu erreichen. Das bringt der „Paper & Packaging Report 2023“ der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company zutage.
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„Die Zeiten sind vorbei, in denen Entscheidungen in der Papier- und Verpackungsindustrie ausschließlich auf Grundlage von Kosten und Funktionalität getroffen werden konnten“, betont Florian Müller, Bain-Partner und Branchenexperte. „Jetzt steht Nachhaltigkeit im Vordergrund.“ Allerdings mangele es vielen Unternehmen an einer stringenten Strategie. „Wer bei Nachhaltigkeit und Innovation konsequent auf die richtigen Themen setzt, kann gegenüber dem Wettbewerb einen deutlichen Vorteil erreichen und anderen Marktanteile abjagen“, so Müller weiter.
Tatsache ist, dass das Thema im öffentlichen Bewusstsein immer mehr Raum einnimmt. Doch hat sich 2022 im Rahmen einer von Bain durchgeführten Befragung unter 4.000 Konsumentinnen und Konsumenten herausgestellt, dass viele gar nicht wissen, wie umweltfreundlich beziehungsweise -schädlich Verpackungsmaterialien sind. 70 Prozent waren beispielsweise überzeugt, dass Einweggläser eine geringere CO2-Bilanz haben als Einwegplastik. Lediglich 12 Prozent wussten die richtige Antwort – nämlich Einwegplastik.
Auf welche Materialien die Papier- und Verpackungsindustrie künftig den Fokus legen will, ist noch unklar. Viele Hersteller tun sich schwer damit, hier Entscheidungen zu treffen. Und das nicht ohne Grund. So schneiden laut aktuellem Bain-Report beispielsweise flexible Verpackungen aus Kunststoff wie leichte Folien oder Beutel zwar in Bezug auf die CO2-Emissionen bei Produktion und Transport mit am besten ab, allerdings sind sie am wenigsten kreislauffähig oder biologisch abbaubar. „Bei der Wahl des Verpackungsmaterials – sei es Papier, Kunststoff, Metall oder Glas – gibt es derzeit keinen klaren Sieger“, stellt Michael Staebe, Bain-Partner und Leiter der Praxisgruppe Industriegüter und -dienstleistungen in DACH, fest. „Die nachhaltigste Option kann je nach Anwendung und geografischer Lage stark variieren.“ Führende Unternehmen würden deshalb vielmehr die Umweltauswirkungen verschiedener Materialien bewerten und den gesamten Lebenszyklus berücksichtigen – von der Rohstoffgewinnung und Produktion über den Transport bis hin zum Ende des Produktlebenszyklus.
In diesem Zusammenhang gehört auch das Thema Biodiversität auf die Agenda der globalen Papier- und Verpackungsindustrie. Denn Herstellungsverfahren von Papier und Papierverpackungen bedingen unter anderem eine intensive Forstwirtschaft sowie einen hohen Wasserverbrauch, was die biologische Vielfalt beeinflussen kann. Damit befassen sich die Branchenplayer bislang allerdings nur bedingt. So hat Bain jüngst rund 100 Unternehmen aus der Papier- und Verpackungsindustrie analysiert, die an die globale Nachhaltigkeitsinitiative Carbon Disclosure Project (CDP) berichten. Dabei zeigte sich, dass sich lediglich 22 Prozent mit den Auswirkungen ihrer Wertschöpfungskette auf die Biodiversität auseinandersetzen. Immerhin geben aber auch 31 Prozent an, bereits Maßnahmen zur Bekämpfung des Biodiversitätsverlusts zu ergreifen.
Auch in puncto Dekarbonisierung gibt es für die Branche einiges zu tun. Zwar hat sich die Anzahl der Unternehmen, die im Rahmen der Science-Based Targets Initiative (SBTi) wissenschaftlich fundierte Nachhaltigkeitsziele identifiziert oder sich zu deren Erreichung verpflichtet haben, im erste Halbjahr 2023 auf 223 erhöht – 2019 waren es gerade einmal fünf gewesen. Doch zuletzt haben mehr als 30 Prozent dieser Firmen die kurzfristigen Ziele der von ihnen direkt beeinflussbaren Emissionen (Scope 1 und Scope 2) verfehlt. Und hinsichtlich der Emissionen, die innerhalb der Lieferkette und bei der Nutzung ihrer Produkte (Scope 3) entstehen, sind 41 Prozent in ihren Bemühungen bisher gescheitert.
Nichtsdestotrotz bleibt der Papier- und Verpackungssektor weltweit eine Wachstumsindustrie. Dem Bain-Report zufolge könnte die Branche bis 2026 ihren Umsatz auf rund 1,2 Billionen US-Dollar steigern. Gemessen an 2021 würde dies einem Plus von rund 21 Prozent entsprechen. Dabei wird die Kategorie Kartonverpackung am stärksten zulegen und in puncto Wachstum das Plastiksegment übertreffen.
In früheren Jahren verband das Topmanagement mit Nachhaltigkeit häufig zusätzliche Kosten und Aufwand. Mittlerweile ist jedoch auch deren wirtschaftlicher Nutzen erkannt worden. „Wenn führende Papier- und Verpackungsunternehmen auf Nachhaltigkeit setzen, können sie durch Kosteneinsparungen und weitere Maßnahmen ihr EBITDA um 4 bis 6 Prozentpunkte steigern“, erklärt Branchenexperte Staebe. „Mit einer fundierten Nachhaltigkeitsstrategie ist es beispielsweise möglich, die Energiekosten zu senken, den Zugang zu recycelten oder erneuerbaren Rohstoffen bei zugleich wettbewerbsfähigen Kosten zu erhöhen sowie organisches Wachstum zu fördern.“
Mit Blick auf nachhaltige Wertsteigerung gewinnen auch M&A-Aktivitäten weiter an Bedeutung. Seit 2007 gab es im Papier- und Verpackungssektor mehr als 2.000 Transaktionen. Davon hatten 84 ein Volumen von über einer Milliarde US-Dollar, elf kamen auf mehr als fünf Milliarden US-Dollar. Strategische Investoren nutzen Fusionen und Übernahmen dazu, Lücken in ihren Portfolios zu füllen. Für Private-Equity-Fonds wiederum ist die Mischung aus relativ stabilen Absatzmärkten und hohen Wertsteigerungspotenzialen attraktiv.
Insgesamt steht die Papier- und Verpackungsbranche weltweit vor einer Vielzahl an Herausforderungen. Neben den Fragen rund um Nachhaltigkeit und Net-Zero-Konzepten, müssen die Fabriken flexibler und technologiegetriebener werden. Und im Vertrieb braucht es datengetriebene Ansätze, um bestehende und neue Kundschaft besser zu erreichen. Zusätzlich braucht es neue Konzepte, um mit den zunehmenden Unsicherheiten in Bezug auf die Volatilität der Rohmaterialen, regulatorischen Änderungen oder auch technologischem Fortschritt rund um künstliche Intelligenz und Smart Packaging erfolgreich umgehen zu können. Doch Bain-Partner Müller ist sich sicher: „Wer all diese Herausforderungen annimmt und meistert, wird nicht nur hochprofitabel sein, sondern auch im Wettbewerb den Ton angeben.“
Bild: Alex Fu (Pexels, Pexels Lizenz)
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