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Moral ist ansteckend

16.09.2014  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Universität zu Köln.

Moralisches Verhalten und Empfinden im Alltag: Kölner Wissenschaftler fanden in einer Studie heraus, dass moralisches Verhalten von Menschen auf ihre Umwelt abfärbt. Religiöse Einstellungen spielen dabei eine untergeordnete Rolle.

Wie häufig sind moralische Taten und Erfahrungen eigentlich im täglichen Leben? Welche Rolle spielen dabei politische Einstellung, Religiösität und das soziale Umfeld? Und macht Moral glücklich? Der Kölner Psychologe Wilhelm Hofmann ist diesen Fragen der Alltagsmoral gemeinsam mit internationalen Kollegen in einer groß angelegten Studie nachgegangen, deren Ergebnisse nun in der renommierten Fachzeitschrift Science veröffentlicht werden.

Um moralisches Verhalten und Empfinden im Alltag möglichst nahe am Geschehen zu messen, wählten die Autoren einen für die Moralforschung neuartigen Zugang: Sie rekrutierten über 1200 Erwachsene in den USA und Kanada und schickten den TeilnehmerInnen drei Tage lang je fünf Kurznachrichten (SMS) auf ihre Mobiltelefone. Mit jeder SMS wurden die TeilnehmerInnen aufgefordert, in einem Onlinefragebogen Auskunft zu geben über etwaige in der letzten Stunde begangene oder beobachtete moralische bzw. unmoralische Handlungen. Insgesamt rund 13.000 Antworten wurden auf diese Weise gesammelt. Etwa 30% davon handelten von moralisch relevanten Ereignissen, in den restlichen 70% fiel laut Auskunft der TeilnehmerInnen nichts moralisch Relevantes vor.

Inhaltlich am häufigsten waren Ereignisse, die mit Fürsorge bzw. Schädigung zu tun hatten – die wichtigste Grunddimension moralischen Verhaltens und Urteilens. Aber auch weitere Grunddimensionen bestimmten den moralischen Alltag der TeilnehmerInnen, wie etwa Fairness bzw. Unfairness (ob es bei der Aufteilung von Gütern „gerecht“ zugeht), Aufrichtigkeit bzw. Unaufrichtigkeit (ob die Wahrheit geachtet wird), Loyalität bzw. Illoyalität (ob man der Eigengruppe/nahe stehenden Personen treu ist), oder Reinheit bzw. Unreinheit (ob etwas besonders „Reines“ oder „Unreines“, „Unanständiges“ getan wird). Insgesamt reichten den Forschern acht derartige Tiefenstrukturen aus, um die gesammelten Antworten zu kategorisieren.

Die politische Einstellung hatte keinen starken Einfluss auf die Betonung moralischer Inhalte. Zwar berichteten politisch eher links ausgerichtete TeilnehmerInnen etwas häufiger von Ereignissen, die mit Fairness / Unfairness und Aufrichtigkeit / Unaufrichtigkeit zu tun hatten als politisch eher rechts ausgerichtete TeilnehmerInnen, und Rechte wiederum betonten Loyalität / Illoyalität und Reinheit / Unreinheit mehr als Linke. Die gefundenen Unterschiede waren jedoch gering und stellen damit die in der amerikanischen Moralforschung verbreitete These in Frage, dass Menschen mit unterschiedlichen politischen Überzeugungen mit völlig andersartigen moralischen „Brillen“ durchs Leben gehen.

Auch die These, dass religiöse Menschen mehr moralische Taten vollbringen als nicht-religiöse, stützen die Daten aus dem Lebensalltag nicht: So fanden die Forscher keinerlei Unterschiede in der durchschnittlichen Häufigkeit begangener moralischer oder unmoralischer Taten zwischen religiösen und nichtreligiösen TeilnehmerInnen. Auch unabhängige Beurteiler, die die Kurzberichte der TeilnehmerInnen (ohne Kenntnis von deren Religionszugehörigkeit) bewerteten, konnten keinerlei Unterschiede in der durchschnittlichen Qualität moralischer Taten zwischen Religiösen und Nichtreligiösen entdecken.

Hofmann und Kollegen untersuchten auch die Frage, ob die Häufigkeit moralischen Verhaltens von vorangegangenen moralischen Ereignissen in deren Lebensumwelt abhängt. Die Analyse moralischer Dynamiken über den Tag hinweg erbrachte u.a. Evidenz für einen moralischen Ansteckungseffekt: Waren die VersuchsteilnehmerInnen an einem gegebenen Tag Ziel einer moralischen Tat, so steigerte dies die Wahrscheinlichkeit, dass sie selbst danach auch eine moralische Tat vollbrachten. Oder anders ausgedrückt: „Gutes tut, wem Gutes widerfährt“.

Am glücklichsten im jeweiligen Moment waren die TeilnehmerInnen übrigens, wenn sie selbst die Adressaten der moralischen Taten anderer waren. Dagegen verliehen die eigenen moralischen Taten den meisten Sinn.

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