22.10.2019 — Matthias Wermke. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
„Gut geht, wer ohne Spuren geht.“ So sprach Laotse, einer der wohl bekanntesten chinesischen Philosophen und Begründer des Taoismus, irgendwann im sechsten Jahrhundert vor Christi Geburt. Das lässt zwei Schlüsse zu:
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Denn wie die meisten wissen dürften, bedeutet Leben und insbesondere Wohnen, sehr wohl Spuren zu hinterlassen. Gerissene Badezimmerfliesen, abgeplatzter Lack an Türrahmen oder abgesplittertes Holz an der Fensterzarge werden die meisten schon einmal in einem Übergabeprotokoll gesehen haben. Spannend wird es jedoch bei der Frage, ob es dabei bloß um eine durch den jahrelangen Gebrauch zu rechtfertigende Abnutzung oder schon um eine Beschädigung der Mietwohnung handelt. Denn dann könnte von Vermieter*innenseite Anspruch auf Schadensersatz erhoben werden. So geschehen ist das in einem Fall, der jüngst dem Wiesbadener Amtsgericht vorlag.
Auslöser war die Beendigung eines Mietverhältnisses, das bereits 14 Jahre andauerte – auch für Wiesbadener Verhältnisse eine durchaus respektable Zeitspanne. Nachdem der Mieter ausgezogen war, stellte der Vermieter in der Wohnung Mängel fest, die seiner Meinung nach über eine verhältnismäßige Abnutzung hinausgingen. Dabei ging es konkret um den in der Wohnung verlegten Laminatboden, der Einkerbungen aufwiese sowie um den Teppichboden, der nun zahlreiche Verfärbungen zeigen würde.
Solcher Art Gebrauchsspuren seien dem Vermieter nach so kurzer Nutzungsdauer jedoch nicht bekannt, da die Lebensdauer solcher Bodenbeläge bei weit über 15 Jahren liegen würde. Insofern sei der Mieter nun für die entstandenen Schäden zur Verantwortung zu ziehen. Das sah letzter freilich anders. Doch wie entschied nun das Gericht?
Die Frage, die zunächst im Vordergrund stand, war die nach der tatsächlichen Qualität des Laminats. War dieser wirklich von solch ausgesuchter Güte, dass er bei „normaler“ Nutzung nach den vierzehn Jahre, um es mit Laotse zu sagen, ohne Spuren hätte sein müssen? Das Gericht befand: Nein. Entgegen der Behauptung des Klägers handele es sich dabei doch eher um recht einfachen Bodenbelag. Die Qualität des Schadens sei also absolut im Rahmen gewesen.
Doch wie sah es mit dem Teppichboden aus? Auch dieser soll ja unter der Wohnweise des Mieters unverhältnismäßig gelitten haben. Hier konnte der Einschätzung des Vermieters ebenfalls nicht Recht gegeben werden, da das Gericht angab, dass die durchschnittliche Lebensdauer selbst bei hochwertigen Teppichen nur bei maximal zehn Jahren liegen würde. Diese Grenze war ja nun schon fast um die Hälfte überschritten. Somit wurde die Klage also in allen Belangen abgewiesen.
Vielleicht wendet sich nun der Vermieter von Laotse ab und hält es fortan stattdessen mit Johann Wolfgang von Goethe, der einst schrieb: „Alles, was uns begegnet, lässt Spuren zurück, alles trägt unmerklich zu unserer Bildung bei.“ Zu wünschen wäre es ihm.
Amtsgericht Wiesbaden, Urteil vom 06.12.2018 - 93 C 2206/18, bestätigt durch das Landgericht Wiesbaden mit Beschluss vom 28.05.19 - 3 S 31/19
Bild: DWilliams (Pixabay, Pixabay License)
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