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Essen am Arbeitsplatz – der Chef entscheidet

27.05.2013  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Landesarbeitsgericht Hamm.

Oft scheiden sich die Geister darüber, was man am Arbeitsplatz darf oder nicht. Gerade das Thema Essen am Arbeitsplatz bietet dahingehend viel Diskussionspotenzial. Im konkreten Fall hat das LAG Hamm entschieden.

Tatbestand:

Die im Altenheim ("Seniorenstift") beschäftigte Altenpflegerin verstößt auch bei Fehlen spezieller Hygienevorschriften gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten, wenn sie auf dem Weg zur Pflegetätigkeit über den für Bewohner und Besucher zugänglichen Flur ein Brötchen verzehrt. Im Dienstleistungsbereich mit Kundenkontakt entspricht ein solches Verhalten schon nach der Verkehrsanschauung auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung oder Anweisung nicht dem erwarteten Erscheinungsbild des Unternehmens.

Hält die beim Brötchenverzehr angetroffene Arbeitnehmerin im Personalgespräch hartnäckig und uneinsichtig an ihrer Auffassung der Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens mit den Worten fest, "Ich esse, wann ich will", so ist gleichwohl vor Ausspruch einer fristlosen oder fristgerechten Kündigung eine Abmahnung erforderlich.

Entscheidungsgründe:

(…)

Die angegriffene Kündigung stützt die Beklagte im Wesentlichen auf den Vorwurf, die Klägerin habe, nachdem sie am 27.06.2005 gegen 8.15 Uhr von der Stiftsdirektorin auf dem Flur beim Verzehr eines Brötchens angetroffen und auf die Unzulässigkeit dieses Verhaltens angesprochen worden sei, sowohl bei dieser Gelegenheit als auch im sich unmittelbar anschließenden Gespräch im Büro der Stiftsdirektorin und schließlich noch einmal bei einem weiteren Gespräch gegen 11.30 Uhr unter weiterer Teilnahme von Pflegedienstleitung und Wohnbereichsleitung beharrlich und uneinsichtig ihr Verhalten mit den Worten verteidigt, "ich esse wann und wo ich will". Mit diesem Verhalten habe die Klägerin zum Ausdruck gebracht, sie sei nicht gewillt, Weisungen der Vorgesetzten zu befolgen und die im Betrieb maßgeblichen Hygienevorschriften zu beachten.

(…)

Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist müsse unter den vorliegenden Umständen als unzumutbar angesehen werden. Hierbei sei nicht darauf abzustellen, dass die Klägerin während der Arbeitszeit und im Flur auf dem Weg zu einem Pflegegang ein Brötchen gegessen habe, entscheidend sei vielmehr, dass die Klägerin in den weiteren Gesprächen mit der Formulierung, sie könne essen, wann sie wolle, sich vollkommen uneinsichtig gezeigt und so die berechtigte Befürchtung hervorgerufen habe, sie – die Klägerin – werde sich auch in Zukunft an Dienstanweisungen nicht halten. Eine derartige völlige Uneinsichtigkeit sei durchaus geeignet, einen "wichtigen Grund" im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB abzugeben. Unter den vorliegenden Umständen sei auch eine Abmahnung als milderes Mittel nicht in Betracht gekommen. Erkennbar sei die Klägerin nicht gewillt gewesen, ihr vertragswidriges Verhalten zu ändern. Auch nach dem Hinweis auf Dienst- und Hygienevorschriften habe die Klägerin auf ihrem Standpunkt beharrt, weswegen die Beklagte zu Recht habe davon ausgehen können, dass auch eine Abmahnung zu keinem geänderten Verhalten führen werde.

(…)

Unabhängig davon, inwiefern schon allgemeine hygienische Standards oder konkrete diesbezügliche arbeitgeberseitige Vorgaben einem derartigen Verhalten entgegenstehen, versteht es sich auch ohne besondere Anweisung in einem Dienstleistungsbetrieb von selbst, dass die in einem Altenwohnheim mit der Betreuung von Heimbewohnern befassten Kräfte ihren Pausenverzehr allein in den hierfür vorgesehenen Räumlichkeiten, nicht hingegen in den für Bewohner und Besucher zugänglichen Räumlichkeiten vornehmen.

Wie der Vergleich mit anderen Dienstleistungen zeigt, orientieren sich die einzuhaltenden Verhaltensanforderungen nicht allein an zwingenden Notwendigkeiten der Arbeitsgestaltung durch Sicherheits- oder Hygienevorschriften o. ä., weiterer Maßstab sind vielmehr die üblichen Erwartungen der durch Dienstleistung angesprochenen Kreise. Ebenso wenig wie aber das Verkaufspersonal in Kaufhaus oder Fachgeschäft, das Bedienpersonal im Hotel- oder Restaurantbetrieb und die Beschäftigten in Verwaltungs- oder Büroberufen mit Publikumsverkehr üblicherweise beim Kundenkontakt Speisen oder Getränke verzehren, ohne dass es entscheidend auf den Aspekt der Hygiene ankommt, gehört es auch in einem Altenheim zu den unausgesprochenen Selbstverständlichkeiten der Arbeit, dass in den für Bewohner und Besucher einsehbaren Bereichen die Trennung zwischen dienstlichem Verhalten und privaten Verrichtungen beachtet wird. Auch wenn die betreuten Bewohner gelegentlich Speisen außerhalb ihres persönlichen Wohnbereichs und außerhalb des Speiseraumes zu sich nehmen und je nach den Umständen die zweckentsprechende Versorgung hilfsbedürftiger Bewohner Vorrang vor ästhetischen Gesichtspunkten beansprucht, bleibt doch für das angestellte Pflegepersonal die strikte Trennung von dienstlicher Aufgabenerledigung und privatem Bereich – wie dem Verzehr von Speisen – maßgeblich.

Selbst wenn diese strikte Trennung in der Vergangenheit nicht durchgängig beachtet worden und es beispielsweise vorgekommen ist, dass andere Mitarbeiter auf dem Flur etwa einen Apfel verzehrt haben, bedeutet dies weder, dass damit die vorstehend genannten Regeln von der Leitung des Hauses außer Kraft gesetzt waren, noch konnte für die Klägerin im Anschluss an die konkrete Beanstandung durch die Stiftsdirektorin zweifelhaft sein, dass die erhobene Beanstandung und die weitere Anweisung, das Essen auf dem Flur zu unterlassen, vom arbeitsvertraglichen Direktionsrecht gedeckt war und keiner näheren Begründung bedurfte.

(…)

Quelle: LAG Hamm, Urteil vom 10.08.2006, AZ 8 Sa 68/06 (in Auszügen)

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