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Dritter Teil der Serie Geschäftsführung des Betriebsrats

04.10.2010  — none .  Quelle: none.

Betriebswirtschafts-Experten-Wissen für Sie: § 28a BetrVG - Übertragung von Aufgaben auf Arbeitsgruppen

Mit dem § 28a BetrVG ist erstmalig eine Regelung ins Betriebsverfassungsgesetz aufgenommen worden, mittels derer der Betriebsrat betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben auf Arbeitsgruppen übertragen kann. Ziel des Gesetzgebers war es dabei, eine bereits sehr häufig anzutreffende Praxis in den Betrieben und Verwaltungen auf ein rechtliches Fundament zu stellen. Dieses Delegationsrecht ermöglicht eine unmittelbare Beteiligung der Arbeitnehmer im Rahmen der Arbeitsorganisation.

Diese mit der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes neu geschaffene Möglichkeit der Beteiligung der Arbeitnehmer ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft:

a) Mehr als 100 Arbeitnehmer im Betrieb.
b) Eine Rahmenvereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber.
c) Die Aufgabe muss im Zusammenhang mit der von der Arbeitsgruppe zu erledigenden Tätigkeit stehen.
d) Ein qualifizierter Beschluss des Betriebsrats (absolute Mehrheit).
e) Eine schriftliche Übertragung vom Betriebsrat auf die Arbeitsgruppe.


Die Vorschrift wird in der betrieblichen Praxis noch selten genutzt. Sie bietet Chancen, beinhaltet aber auch Risiken. Die Chance besteht darin, dass Arbeitnehmer mehr in die Betriebsratsarbeit eingebunden werden dadurch, dass sie für ihre Arbeitsgruppe (der Begriff der Arbeitsgruppe sollte in der Rahmenvereinbarung definiert werden - z.B. durch Verweis auf § 87 Abs. 1 Ziff. 13 BetrVG - Gruppenarbeit) selbständig Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte wahrnehmen. Dadurch können problemnahe Lösungen direkt in den betreffenden Arbeitnehmerbereichen unter Beteiligung der Mitarbeiter geschaffen werden (z.B. die Erstellung individueller gruppenbezogener Arbeitszeitmodelle, Urlaubsplanung, Bonus- und Provisionsmodelle).

Risiken können sich für den Betriebsrat daraus ergeben, dass die Arbeitsgruppe eigenständige Lösungen schafft, die unter Umständen mit den bereits bestehenden Betriebsvereinbarungen nicht in Einklang stehen. Es könnte z.B. auch eine Arbeitszeit- oder Überstundenregelung geschaffen werden, die dazu führt, dass der Betriebsrat für diese Arbeitsgruppe zukünftig nicht mehr zu Überstunden oder nur noch in einem geringeren Rahmen zu den Überstunden angehört wird. Praktisch macht diese Übertragung nur Sinn, wenn die Arbeitsgruppe die entsprechende Durchsetzungsfähigkeit für die Gruppeninteressen hat.

Minimiert werden kann dieses Risiko z.B. dadurch, dass der Betriebsrat sich in jedem Falle einen Informationsanspruch vorbehält oder ggf. tatsächlich die abschließende Entscheidung vorbehält.

Letzten Endes ist der Betriebsrat völlig frei in seiner Entscheidung, welche Aufgaben er einer Gruppe überträgt und wie er sich als Betriebsrat selbst in die Gruppendiskussion einbringen will. Er kann die Möglichkeit des § 28a BetrVG zur Beteiligung der Beschäftigen nutzen, auch ohne auf wichtige Entscheidungs- und Mitbestimmungsrechte zu verzichten.

§ 28a Abs. 2 letzter Satz Betriebsverfassungsgesetz regelt eindeutig, dass, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitsgruppe in einer Angelegenheit nicht einigen, in jedem Fall der Betriebsrat das Beteiligungsrecht wieder wahrnimmt.

Mögliche Inhalte der Rahmenvereinbarung mit dem Arbeitgeber können sein:
  • Gegenstände der Übertragung,
  • Definition Arbeitsgruppe,
  • Rechte und Pflichten der Arbeitsgruppenmitglieder,
  • Arbeitsgruppensprecher und deren Aufgaben,
  • Beschlussfähigkeit der Arbeitsgruppe,
  • Sitzungen der Arbeitsgruppe,
  • Verhandlungen der Arbeitsgruppe und Beendigung der Verhandlungen,
  • Information des Betriebsrats, ggf. Zustimmungsvorbehalt,
  • Abschluss von Gruppenvereinbarungen,
  • Formalien der Gruppenvereinbarungen,
  • Kündigung der Rahmenvereinbarung usw.

Praxistipp:

Tragungsbeschluss § 28a BetrVG
Der Betriebsrat beschließt, der im Bereich 007 bestehenden Arbeitsgruppe xyz, auf der Basis der betroffenen Rahmenvereinbarung die folgenden Aufgaben gem. § 28a BetrVG zur selbständigen Erledigung zu übertragen:
  • Festlegung von Beginn und Ende der wöchentlichen Arbeitszeit
  • Festlegung der Arbeitspausen
  • Urlaubsplanung, Prämienmodell VWZ
(Der Betriebsrat geht davon aus, dass er von der Arbeitsgruppe über den aktuellen Stand der Verhandlungen gem. der Rahmenvereinbarung informiert wird.)

(Der Betriebsrat behält sich die abschließende Entscheidung über das Ergebnis der übertragenen Aufgabe vor (Zustimmungsvorbehalt)).

Hier hat der Betriebsrat unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten.

In der Praxis kommen als übertragungsfähige Sachverhalte z.B. in Betracht:
  • Urlaubsplanung,
  • Festlegung des Qualifizierungsbedarfs und seiner Planung,
  • Organisation der Arbeitsgestaltung und der Arbeitsbedingungen,
  • Mitwirkung bei Personalentscheidungen,
  • Förderung der Gleichstellung,
  • Gestaltung von interner und externer Kommunikation,
  • Pausenregelungen,
  • Vertretungsregelungen,
  • Berücksichtigung leistungsschwächerer Arbeitnehmer,
  • Gruppensprecher usw.

Überlegen muss der Betriebsrat genau, ob die Dinge, die er der Gruppe überträgt, unter Umständen Drittbezug haben. Es kann sein, dass durch eine Regelung in einer Arbeitsgruppe andere Arbeitnehmer des Betriebes betroffen sind. Solche Angelegenheiten sind grundsätzlich nicht übertragbar (z.B. Einführung von Kurzarbeit, Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, Betriebsänderungen usw.).

Sollte dann die Arbeitsgruppe eine Gruppenvereinbarung abschließen (Voraussetzungen: Wirksame Regelungsübertragung durch Betriebsrat, Zustimmung durch Mehrheit der Stimmen der Gruppenmitglieder, schriftlicher Abschluss sowie Unterzeichnung durch die Gruppe und den Arbeitgeber), so hat diese Vereinbarung folgende Wirkung (vgl. § 28a BetrVG):

Sie wirkt wie eine Betriebsvereinbarung, da § 77 BetrVG entsprechend gilt. Damit entfaltet sie unmittelbar und zwingende Wirkung für die Gruppenmitglieder und sie begründet unmittelbare Rechtsansprüche der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber ist für die Durchführung der Gruppenvereinbarung verantwortlich. Selbstverständlich ist der Tarifvorbehalt zu beachten und formal sind auch Betriebsvereinbarungen beim Abschluss der Gruppenvereinbarungen zu beachten.


§ 28a BetrVG
Hessisches Landesarbeitsgericht, 9. Kammer, 24.09.2009, 9 TaBV 69/09

Leitsatz:
2. Dem Betriebsausschuss kann in der Geschäftsordnung des Betriebsrats nicht rechtswirksam die Bildung von Arbeitsgruppen nach § 28a BetrVG übertragen werden. Es handelt sich um eine Grundlagenentscheidung des Betriebsrats, die nur mit qualifizierter Mehrheit im Betriebsratsgremium getroffen werden kann.

Praktische Bedeutung:
Wie in § 28a BetrVG vorgesehen, kann der Betriebsrat mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder bestimmte Aufgaben auf Arbeitsgruppen übertragen. Diese Aufgabe kann er einem Betriebsausschuss nicht übertragen auch nicht durch die Geschäftsordnung, die mit absoluter Mehrheit geschlossen wird. Bei der Übertragung von Aufgaben auf Arbeitsgruppen gem. § 28a BetrVG handelt es sich um so genannte Grundlagenentscheidungen, die nicht an einen Ausschuss delegiert werden dürfen.


Quelle: ALC Anwaltskanzlei Lemke, Torsten Lemke
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