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Alles nicht so einfach: Vorsicht bei Ausschlussfristen und Mindestentgelt

20.09.2016  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

In einer aktuellen Entscheidung befasst sich das BAG mit der Frage, ob eine vom Arbeitgeber als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellte arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung, die auch den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche (PflegeArbbV) erfasst, wirksam ist.

I. Einleitung

Ausschluss- oder Verfallfristen sind im Arbeitsrecht weit verbreitete Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen. Sind sie (in zulässiger Weise) vereinbart und werden sie nicht eingehalten, so erlischt der Anspruch. Ausschlussfristen dienen der Beschleunigung der Abwicklung der wechselseitigen Ansprüche und der Vermeidung von Nachweisproblemen. Sie gehen in ihrer Wirkung wesentlich weiter als die normalen gesetzlichen Verjährungsfristen.

Die am 1. August 2010 in Kraft getretene Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflege­branche (PflegeArbbV) regelt für die Pflegebranche u. a. das Mindestentgelt, von dem vertraglich nicht abgewichen werden darf. Es ist ausdrücklich geregelt, dass Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Anspruchs auf Mindestentgelt ausschließlich in einem Tarifvertrag geregelt werden dürfen.

Im Mindestlohngesetz (MiLoG), das den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn regelt, ist bestimmt, dass Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam sind. Unter solche Vereinbarungen fallen zweifellos grundsätzlich auch vertragliche Ausschlussfristen. Doch, wie ist mit solchen Verfallklauseln umzugehen, die den Anspruch auf Mindestlohn nicht explizit ausklammern? Gibt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24. August 2016 zum Mindestentgelt nach der PflegeArbbV auch hierauf eine Antwort?

II. Sachverhalt

Die Klägerin begehrte von ihrem Arbeitgeber, dem Beklagten, einem ambulanten Pflegedienst, für den Zeitraum vom 19. November 2013 bis zum 15. Dezember 2013 Entgeltfortzahlung.

Die Klägerin war vom 15. Juli 2013 bis zum 15. Dezember 2013 bei dem Beklagten als Pflegehilfskraft beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthielt als Allgemeine Geschäftsbedingung eine Verfallklausel, nach der alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Bei Ablehnung oder Nichtäußerung der Gegenpartei binnen zwei Wochen nach der Geltendmachung sollte Verfall eintreten, wenn der Anspruch nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

Die Klägerin war vom 19. November 2013 bis zum 15. Dezember 2013 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Trotz ärztlicher Bescheinigung hatte der Beklagte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit und leistete keine Entgelt­fortzahlung. Die Klägerin machte ihren Entgeltfortzahlungsanspruch zwar rechtzeitig, mit Schreiben vom 20. Januar 2014 gegenüber dem Beklagten schriftlich gelten, erhob jedoch erst am 2. Juni 2014 beim Arbeits­gericht Braunschweig Klage.

Der Beklagte war der Ansicht, der Anspruch der Klägerin auf Entgeltfortzahlung sei jedenfalls wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung verfallen.

III. Entscheidung

Das Arbeitsgericht Braunschweig (3 Ca 253/14) hatte der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (6 Sa 1328/14) hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Auch die Revision des Beklagten ist nun (im Wesentlichen) erfolglos geblieben. In seinen – bisher nur als Pressemitteilung vorliegenden – Entscheidungsgründen führt das Bundesarbeitsgericht aus, die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Dieser ist auch nicht wegen der vertraglich vereinbarten Ausschlussfrist verfallen. Die nach Inkrafttreten der PflegeArbbV vom Beklagten gestellte Klausel verstößt gegen § 9 Satz 3 AEntG und ist deshalb unwirksam, so dass der Anspruch auf Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV nicht wegen der Versäumung der vertraglichen Ausschlussfrist erlischt. Für andere Ansprüche kann die Klausel auch nicht aufrechterhalten werden, weil dem das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegensteht.

IV. Praxishinweis – Schlussfolgerungen für Ausschlussfristen und Mindestlohn nach MiLoG

Fraglich ist nun, ob sich die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts auf das Verhältnis von Ausschlussfristen und Mindestlohn nach dem MiLoG übertragen lässt. Dies könnte – insoweit sind die Entscheidungsgründe abzuwarten – ggf. bedeuten, dass arbeitsvertragliche Ausschlussfristen, die den Anspruch auf den Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnehmen, vollständig unwirksam sind, und zwar ggf. auch unabhängig davon, ob die Ausschlussfristen vor oder nach Inkrafttreten des MiLoG vereinbart wurden.

Zwei Punkte lassen jedoch hoffen, dass dem nicht so ist: Zum einen unterscheidet sich der Wortlaut des § 3 Satz 1 MiLoG von dem des § 9 Satz 3 AEntG. So heißt es in § 3 Satz 1 MiLoG,

„Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam.“

Hieraus könnte man ableiten, dass eine geltungserhaltende Reduktion möglich sein soll und die entsprechende vertragliche Klausel im Übrigen wirksam bleibt, auch wenn sie den Anspruch auf Mindestlohn nicht ausdrücklich aus ihrem Geltungsbereich ausnimmt. Zum anderen findet sich in der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts der Hinweis, dass

„die nach Inkrafttreten der PflegeArbbV vom Beklagten gestellte Klausel“

unwirksam ist und auch nicht für übrige Ansprüche aufrechterhalten werden kann. Dies könnte bedeuten, überträgt man diesen Hinweis auf das MiLoG, dass vor Inkrafttreten des MiLoG vereinbarte arbeitsvertragliche Ausschlussfristen nicht vollständig unwirksam sind und für die übrigen Ansprüche aufrechterhalten werden können. Nur Ausschlussfristen, die nach dem Inkrafttreten des MiLoG abgeschlossen bzw. geändert wurden, und den Anspruch auf Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnehmen, wären dann insgesamt unwirksam.

Fest steht: Der Arbeitgeber sollte die Ausschluss- und Verfallklauseln in seinen Standardarbeitsverträgen überarbeiten und anpassen (lassen). Generell ist zu empfehlen, diese Klauseln in einem regelmäßigen Turnus einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen, um nicht das Risiko einzugehen, dass diese nicht mehr dem aktuellen Rechtsstand entsprechen – dies kann sonst ggf. teuer werden. Auf die ab 1. Oktober 2016 in Kraft getretene Neufassung des § 309 Nr. 13 BGB, die ebenfalls Ausschluss- und Verfallklauseln betrifft, haben wir bereits in einem früheren Beitrag hingewiesen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. August 2016 (5 AZR 703/15)


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