Endlich: Das Selbstbestimmungsgesetz ist da!

18.04.2024  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Lesben- und Schwulenverband (LSVD).

Am 12.04.2024 hat der Bundestag das lange erwartete Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet. Damit können trans-, intergeschlechtliche* und nicht-binäre Menschen künftig ihren Personenstand durch Erklärung gegenüber dem Standesamt korrigieren lassen und sind nicht mehr auf langwierige, teure und demütigende Gerichts- und Begutachtungsverfahren angewiesen.

Endlich löst die Bundesregierung ihr wichtiges queerpolitisches Koalitionsversprechen ein und ersetzt das Transsexuellengesetz (TSG) durch ein Selbstbestimmungsgesetz. Das TSG wurde in seiner ursprünglichen Fassung in großen Teilen immer wieder als verfassungswidrig eingestuft. Übrig geblieben waren demütigende Sachverständigengutachten und ärztliche Atteste, um den richtigen Geschlechtseintrag zu bekommen. Diese gehören nun endlich der Vergangenheit an. Selbstbestimmung ist ein hohes Gut einer Demokratie und mit der geschlechtlichen Selbstbestimmung kommt Deutschland endlich seiner ethischen Verpflichtung nach, auch einer Minderheit diese demokratischen Grundrechte zu gewähren! Zum ersten Mal hat eine Bundesregierung die rechtliche Lage zum Geschlechtseintrag von trans*, inter* und nicht-binären aus Eigeninitiative verbessert und damit ein demokratisches Kernanliegen umgesetzt!

Deutschland ist damit das dreizehnte Land in Europa, in dem ein selbstbestimmter Geschlechtseintrag auf Basis einer Selbsterklärung und ohne Begutachtungen durch Psycholog*innen, Ärzt*innen oder Jurist*innen möglich ist. In Belgien, Dänemark, Irland, Luxemburg, Malta, Norwegen und Portugal geht das schon seit vielen Jahren, Island, Finnland und die Schweiz haben ihre Gesetze erst kürzlich angepasst. Begutachtungen der Geschlechtsidentität sind nicht nur unnötig, sondern greifen auch massiv und unzulässig in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen ein. Sie sind geprägt von grenzüberschreitenden Befragungen und körperlichen Untersuchungen mit erniedrigendem Charakter. Es war mehr als überfällig, diese menschenrechtswidrige Begutachtungspraxis auch in Deutschland endlich abzuschaffen und trans- und intergeschlechtliche* sowie nicht-binäre Menschen übereinstimmend mit medizinischen Erkenntnissen zu entpathologisieren.

Der selbstbestimmte Geschlechtseintrag findet in der Zivilgesellschaft entgegen Unkenrufen aus rechtskonservativen und „genderkritischen“ Kreisen große Zustimmung. Die Verbesserung der Rechte für trans* und intergeschlechtliche sowie nicht-binäre Menschen ist schon immer Teil feministischer emanzipatorischer Kämpfe. In der Verbändeanhörung hat sich ein überwältigender Teil der Zivilgesellschaft für geschlechtliche Selbstbestimmung ausgesprochen. Darunter waren Sozial-, Jugend- und Frauenverbände, kirchliche Organisationen, die Bundespsychotherapeutenkammer, der Deutsche Gewerkschaftsbund und mehrere große Arbeitgeber*innen sowie das Deutsche Institut für Menschenrechte und die Amadeu-Antonio-Stiftung.

Das nun vorliegende Gesetz gewährleistet nicht alles, was die Zivilgesellschaft seit Jahren fordert. Es gibt zum einen den im Gesetzgebungsprozess von rechten und Akteur*innen gezielt mobilisierten Ängsten unverhältnismäßig viel Raum, statt sie auszuräumen, etwa mit dem Verweis auf das Hausrecht. Zum anderen bleiben viele Regelungen weit hinter den im Juni 2022 vorgestellten Eckpunkten und den Forderungen der queeren Verbände zurück. Das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung besonders vulnerabler Personen wie Minderjähriger, Geschäftsunfähiger und Staatenloser wird nur unzureichend gewährleistet. Wir begrüßen es sehr, dass der Gesetzgeber einige kritische Stellen im Kabinettsentwurf wie die Datenweitergabe an Sicherheitsbehörden entschärft bzw. gestrichen hat. Dennoch gilt es, die noch vorhandenen Schwachstellen des Gesetzes auf dem Rechtsweg und durch rechtspolitische Arbeit anzugehen und zu beseitigen. Darüber hinaus müssen weitere Reformbedarfe für die Gleichstellung trans*, inter* und nicht-binärer Personen wie die rechtliche Absicherung von Gesundheitsleistungen und die Entschädigung für diejenigen, die sich nach dem alten TSG-Verfahren scheiden oder sterilisieren lassen mussten, dringend auf die politische Agenda gesetzt werden.

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Bild: Alexander Grey (Unsplash, Unsplash Lizenz)

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