04.11.2024 — Von
. Quelle:So sind Steuergesetze oft nicht eindeutig, sondern eher missverständlich formuliert. Dies bringt erhebliche Interpretationsspielräume mit sich. Die Leidtragenden sind nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmen und deren steuerliche Berater, sondern auch die Finanzverwaltung und die Sozialversicherungsträger. Ein leichtes Spiel haben dagegen diejenigen, die Regelungslücken konsequent aufspüren und ausnutzen.
Seit 2015 ist die lohnsteuerliche Behandlung von Betriebsveranstaltungen in § 19 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1a EStG gesetzlich geregelt. Bis 2014 war diese Thematik nur in den Lohnsteuerrichtlinien geregelt. Weil lediglich gesetzliche Regelungen Bindungswirkung für die Rechtsprechung entfalten, konnten die Finanzgerichte der Länder und der Bundesfinanzhof die Rechtsvorschriften nach eigenem Ermessen auslegen und interpretieren. Um diesem einen Riegel vorzuschieben, ist das Recht der Betriebsveranstaltungen seit 2015 gesetzlich geregelt.
Leider hat der Gesetzgeber es hierbei versäumt, gründlich zu arbeiten. Diverse Unklarheiten waren die Folge, z.B. die lohnsteuerliche Behandlung vergeblicher Aufwendungen des Arbeitgebers sowie die Rechtsfrage, ob die Aufwendungen für betriebliche Veranstaltungen, die nur einem bestimmten Personenkreis vorbehalten sind, z.B. eine betriebliche Veranstaltung nur für leitende Angestellte, als Betriebsveranstaltungen anzusehen sind und ob die entsprechenden Aufwendungen pauschalversteuert werden können. Der Bundesfinanzhof hat diese beiden streitigen Rechtsfragen inzwischen mit Urteilen vom 29.04.21 - VI R 31/18 zu sog. frustrierten Aufwendungen und BFH-Urteil vom 27.03.24, VI R 5/22 geklärt.
Bis zum 31.12.14 lag eine Betriebsveranstaltung definitionsgemäß immer nur dann vor, wenn eine betriebliche Veranstaltung allen Arbeitnehmern offensteht und nicht nur einem bestimmten Personenkreis vorbehalten ist. Dies ist z.B. der Fall bei einer betrieblichen Veranstaltung, zu der nur Führungskräfte eingeladen sind.
§ 19 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1a EStG enthält diese Einschränkung nicht. Danach handelt es sich unstreitig auch bei einer betrieblichen Veranstaltung, die nicht allen Arbeitnehmern offensteht, um eine Betriebsveranstaltung. Nach dem unmittelbaren Wortlaut des Gesetzes kommt in diesen Fällen lediglich der Freibetrag in Höhe von 110 Euro nicht zur Anwendung, so dass die Aufwendungen des Arbeitgebers in vollem Umfang steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen.
Streitig war, ob der hierbei entstehende geldwerte Vorteile nach § 40 Absatz 2 Nr. 2 EStG mit einem Steuersatz von 25% pauschal versteuert werden kann. Die Finanzverwaltung hat dies in einem streitigen Sachverhalt mit Verweis auf die alte Rechtslage vor der gesetzlichen Neuregelung abgelehnt. Nach altem Recht lag aufgrund höchstrichterlicher BFH-Rechtsprechung eine Betriebsveranstaltung immer nur dann vor, wenn die Teilnahme an der betrieblichen Veranstaltung allen Arbeitnehmern offenstand. Der Gesetzgeber hat im Rahmen der gesetzlichen Neuregelung zum 01.01.15 entsprechende Einschränkungen weder in § 19 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1a EStG noch in § 40 Absatz 2 Nr. 2 EStG für notwendig gehalten.
Mit Urteil vom 27.03.24 hat der Bundesfinanzhof in einem streitigen Sachverhalt klargestellt, dass eine Betriebsveranstaltung nach Maßgabe von § 19 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1a EStG auch dann vorliegen kann, wenn diese nicht allen Angehörigen eines Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht. Das Tatbestandsmerkmal einer Betriebsveranstaltung in § 40 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 EStG entspricht der Legaldefinition in § 19 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG.
Das bedeutet im Klartext, dass eine Betriebsveranstaltung auch dann vorliegen kann, wenn eine betriebliche Veranstaltung nicht allen Arbeitnehmern eines Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht und nur einem bestimmten Teilnehmerkreis vorbehalten ist. Es ist ausschließlich gesetzlich geregelt, dass der Freibetrag in Höhe von 110 Euro in diesen Fällen nicht angesetzt werden darf. Gleichwohl kann aber von der Pauschalversteuerung gemäß § 40 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 EStG Gebrauch gemacht werden. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist das Offensein für alle Betriebsangehörigen Tatbestandsvoraussetzung für die Gewährung des Freibetrags. Es handelt sich diesbezüglich jedoch nicht um ein (ungeschriebenes) einschränkendes Kriterium des Begriffs der Betriebsveranstaltung.
Die Freude über dieses BFH-Urteil war in Fachkreisen jedoch nur von sehr kurzer Dauer, weil nun eine Gesetzesänderung erfolgen soll. Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass die Pauschalversteuerung mit einem Steuersatz von 25% nicht sachgerecht sei, weil diese nicht der finanziellen Leistungsfähigkeit der Teilnehmer entspricht. Der Pauschsteuersatz sei nur dann angemessen, wenn alle Lohngruppen an der Veranstaltung teilnehmen könnten.
Daher soll § 40 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 EStG ab 01.01.25 wie folgt lauten:
Abweichend von Absatz 1 kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 Prozent erheben, soweit er (…)
2. Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen zahlt, wenn die Teilnahme an der Betriebsveranstaltung allen Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht.
Die gesetzliche Neuregelung soll auf Initiative des Bundesrates in das Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) aufgenommen werden und ab 01.01.25 in Kraft treten. Die Neuregelung gilt dann für alle Betriebsveranstaltungen, die ab diesem Zeitpunkt durchgeführt werden.
Für Veranstaltungen, die bis 31.12.24 durchgeführt werden, verbleibt es bei der alten Rechtslage. Betroffene Arbeitgeber können sich entsprechend auf das BFH-Urteil vom 27.03.24, VI R 5/22 berufen.
Wir werden Sie über den Stand der Dinge im Gesetzgebungsverfahren auf dem Laufenden halten.
Aufgrund der gesetzlichen Neuregelung handelt es sich bei Betriebsveranstaltungen, die nicht allen Arbeitnehmern offenstehen, um steuerpflichtigen Arbeitslohn, der nicht nach § 40 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 EStG mit einem Steuersatz von 25% pauschalversteuert werden darf. Alternativ zur Regelversteuerung kann eine Pauschalversteuerung nach § 37b EStG mit einem Pauschsteuersatz von 30% durchgeführt werden. Der steuerliche Schaden hält sich mit einem Differenzbetrag in Höhe von 5% damit in Grenzen. Bitte beachten Sie, dass bei Anwendung des § 37b EStG alle steuerpflichtigen Sachzuwendungen pauschal nach § 37b EStG versteuert werden müssen.
Zu beachten sind jedoch die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen. Während die Pauschalversteuerung nach § 40 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 EStG Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung mit sich bringt, sind die Aufwendungen des Arbeitgebers bei Anwendung der Pauschalversteuerung nach § 37b EStG der Sozialversicherung zu unterwerfen. Die Verbeitragung zur Sozialversicherung entfällt, soweit die Arbeitnehmer Einkünfte oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen erzielen.