14.03.2019 — Rolf Becker. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
In einem anderen Rechtsstreit zwischen Erotik-Artikel Händlern war zudem streitig, ob eine Telefonnummer in die Widerrufsbelehrung gehört und der Bundesgerichtshof (BGH) legte jetzt auch diese Fragen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Rechtsanwalt Rolf Becker, Partner bei WIENKE & BECKER – KÖLN berichtet über den Stand der Dinge.
Das Gesetz sieht vor, dass ein Unternehmer unter anderem über „seine Identität, beispielsweise seinen Handelsnamen sowie die Anschrift des Ortes, an dem er niedergelassen ist, seine Telefonnummer und gegebenenfalls seine Telefaxnummer und E-Mail-Adresse sowie gegebenenfalls die Anschrift und die Identität des Unternehmers, in dessen Auftrag er handelt,“ informiert. Was aber genau heißt „gegebenenfalls“? Dazu kommt: In der Verbraucherrechterichtlinie steht das „gegebenenfalls“ vor „seine Telefonnummer“. Der deutsche Gesetzgeber hat das Wort einfach an eine andere Stelle geschrieben, obwohl er von den europäischen Vorgaben nicht abweichen durfte.
Amazon stellte dem Verbraucher verschiedene Wege zur Verfügung, wie der Verbraucher mit dem Unternehmen Kontakt aufnehmen konnte. Dazu gehörte die Möglichkeit, einen Rückruf anzufordern, einen Chat zu starten oder eine Nachricht über ein Kontaktformular zu senden. Eine Telefonnummer nannte Amazon jedoch nicht. Hieran störte sich der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und verklagte Amazon. Die Angelegenheit gelangte bis vor den BGH. Der kann in streitigen Rechtsfragen zur Auslegung von europäischen Richtlinien den EuGH in einem sog. Vorlageverfahren befragen. Der EuGH erklärt dann in einem Urteil, wie die Auslegung zu erfolgen hat. Die Sache geht dann wieder an das vorlegende Gericht, welches dann entscheidet.
Der BGH wollte in diesem Verfahren vom Europäischen Gerichtshof wissen, wie der Ausdruck „gegebenenfalls“ richtig auszulegen ist. Zudem fragte er, ob der im Gesetz angeführte Katalog von Kommunikationsmitteln (Telefon, Telefax, E-Mail) abschließend ist. Schließlich wollte er wissen, welchen Inhalt das vom Unternehmer zu beachtende Transparenzgebot hat.
Die Berücksichtigung von Unternehmerinteressen durch den EuGH setzt sich erfreulicherweise auch in den Schlussanträgen des Generalanwalts fort. Es sei Ziel der Richtlinie, ein immer höheres Schutzniveau für den Verbraucher zu erreichen. Zugleich ist die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu gewährleisten. Daher sei das höchste Schutzniveau für den Verbraucher zu gewährleisten, ohne dabei in die Gestaltungsfreiheit des Unternehmers stärker einzugreifen, als es zur Erreichung des oben genannten Zwecks unbedingt erforderlich sei.
Ein wirksamer Schutz wird nicht durch eine bestimmte Kontaktaufnahme, etwa durch Telefon sichergestellt, so der Generalanwalt. Es komme vielmehr darauf an, dass im konkreten Fall gleichzeitig folgende Ziele der Richtlinie gewährleistet werden können:
Der Generalanwalt schlägt dem Gerichtshof daher vor festzustellen, dass für im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge die Aufzählung Kommunikationsmittel (Telefon, Telefax, E-Mail) in der Richtlinie lediglich beispielhaft sei. Der Unternehmer könne daher frei wählen, welche Mittel er für den Kontakt mit dem Verbraucher zur Verfügung stelle. Damit kommen auch z.B. Internet-Chat oder ein automatisches Rückrufsystem in Betracht. Zudem folge aus den Zielen die Notwendigkeit, dass der Unternehmer dem Verbraucher mehrere Kommunikationsmittel zur Verfügung stelle und damit dessen Wahlfreiheit gewährleiste.
Was die Bedeutung des Ausdrucks “gegebenenfalls” in Bezug auf die drei Kommunikationswege zwischen Unternehmer und Kunden (Telefon, Telefax, E-Mail) angeht, schlägt der Generalanwalt dem Gerichtshof vor festzustellen, dass dieser Ausdruck zum einen den Unternehmer nicht dazu verpflichte, einen Telefon- oder Faxanschluss bzw. ein E Mail-Konto neu einzurichten, wenn er sich entschließe, Fernabsatzverträge abzuschließen, und zum anderen, “für den Verbraucher bereitgestellte Mittel”, bedeute, und nicht “im Unternehmen vorhandene”: Nicht alles, was in einem bestimmten Zusammenhang existiere oder vorhanden sei, sei nämlich verfügbar oder stehe jedem zur Verfügung, der es benutzen wolle.
Das ist uneingeschränkt zu begrüßen.
Auch bei der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung gibt es eine ähnliche Regelung. Das OLG Schleswig (OLG Schleswig, Urteil vom 10.01.2019 – 6 U 37/17) sieht die Angabe der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung als verbindlich an, wenn die Muster-Widerrufsbelehrung verwendet wird und eine Telefonnummer vorhanden ist.
Nach § 312d Abs. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB müssen Unternehmen im Fernabsatz Verbraucher über das Widerrufsrecht informieren und können hierzu eine Musterformulierung nutzen. In den Gestaltungshinweisen zum Muster heißt es, dass „der Name und die Anschrift des Unternehmens und „soweit verfügbar“, die Telefonnummer, die Telefaxnummer und die E-Mail-Adresse des Unternehmens anzugeben“ sei. Die Verfügbarkeit ist nach Ansicht des OLG Schleswig keine Frage einer Unternehmerentscheidung.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt auch diese Frage dem EuGH vorgelegt (BGH, Vorlagebeschluss v. 07.03.2019, I ZR 169/17). In dem Rechtsstreit von zwei Erotik-Artikel-Händlern ging es um die fehlende Angabe der Telefonnummer. Der abgemahnte Händler hatte eingewendet, er schließe keine Verträge am Telefon und die Angabe einer Telefonnummer widerspreche auch dem Verbraucherschutzgedanken, da der Verbraucher eine telefonische Erklärung schlechter nachweisen könne. Das OLG Hamm sah die Angabe der Telefonnummer auch als notwendig an, ließ aber angesichts einer entgegenstehenden Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urt. v. 18.02.2016, Az. I – 15 U 54/15) die Revision zu. Der BGH fragte jetzt den EuGH:
Nach Ansicht des Generalanwalts muss der Unternehmer dafür sorgen, dass der Verbraucher schnell und effizient kommunizieren kann. Der Verbraucher muss auch unter mehreren Kommunikationsmitteln wählen können. Der Unternehmer ist aber nicht mehr festgelegt auf bestimmte Kommunikationsmittel.
Es ist vorstellbar, dass der EuGH dem folgt und auch die vergleichbare Angabe zur Widerrufsbelehrung so entscheidet. Zwar folgt der EuGH häufig den Schlussanträgen des Generalanwalts, aber nicht immer. Hier wäre es zu wünschen. Damit würden Jahre nach Geltung des neuen Verbraucherrechts in 2014 jetzt in 2019 endlich ein paar strittige Fragen geklärt. Aber leider sind noch viele solcher Fragen offen und die Streitigkeiten werden letztlich auf dem Rücken der Händler ausgetragen.
Bis dahin sind zur Sicherheit im Impressum und in der Widerrufsbelehrung die Telefonnummern am besten anzugeben. Prüfen Sie das, damit Sie nicht irgendwann von den Entscheidungen überrascht werden.
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